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30 Jahre RANTANPLAN: Laut, politisch, kompromisslos – „Wenn die Revolution nicht tanzbar ist, sind wir nicht dabei“

30 Jahre RANTANPLAN – und kein bisschen leise. Statt Nostalgie oder weichgespülter Jubiläums-Rückschau liefern die Hamburger Ska-Punk-Veteranen ein Album, das kompromissloser kaum sein könnte. „Blast Off NY“ wurde in nur vier Tagen live in New York aufgenommen – gemeinsam mit Hardcore-Legende Don Fury, der schon Agnostic Front, Quicksand oder Burn produzierte. Herausgekommen ist ein lautes, wütendes, aber auch reflektiertes Statement. Wir haben mit Sänger und Gitarrist Torben Möller-Meissner über Old-School-Energie, politische Haltung und drei Jahrzehnte Bandgeschichte gesprochen.

Euer neues Album wirkt wie eine musikalische Zeitreise – aber ohne Nostalgie-Kitsch. Ihr seid zurück zu einem absolut puren Sound gegangen.

Was war der Auslöser, „Blast Off NY“ so radikal Old-School und live in nur vier Tagen einzuspielen?

Viele meiner Lieblings-HC-Punk-Scheiben kamen aus der Don-Fury-Schmiede – Burn, Inside Out, Agnostic Front, Quicksand, World Inferno. Die Burn-EP wurde in nur vier Stunden aufgenommen, und die bläst mich bis heute weg. Ein energetisches Meisterwerk!
Diese ganzen Laptop-Produktionen heute sind nur noch Simulationen, 0dB-Schlotze. Dann kann man auch gleich KI-generierte Musik hören. Da hab ich lieber Tinnitus.

Wie kam die Zusammenarbeit mit Don Fury zustande – und wie war die Arbeit mit ihm im Studio?

Wir waren 2006 schon mal bei Don in New York und haben dort das Album 20359 produziert. Ich wollte immer nochmal mit ihm arbeiten, weil seine Energie meinen Punk intensiver macht. Hör dir „Zwei“ oder „Jeder so wie er kann“ auf der neuen Platte an – da sind Blister im Sound, die kriegst du nur von einem magischen Engineer mit Intuition wie Don.

Kein Overdub, keine Backing-Tracks, jeder nur ein Mikro – klingt fast wie ein Statement gegen digitalen Perfektionismus. War das bewusst so gedacht?

Auf jeden Fall. Diese Laptop-Cowboys können im Keller bleiben und ihre Oma samplen. Ich interessiere mich für Kunst und Action, nicht für Apps und Fake-Shit. Wie Don zu Beginn meinte: We don’t want the ape shit.

Wie habt ihr euch auf diese Art von Aufnahme vorbereitet? Befreiend oder brutal anstrengend?

Unsere Konzerte sind die Vorbereitung. Das Leben in einer sterbenden Welt ist brutal anstrengend – die Band gibt einem die kleine Möglichkeit zur Befreiung. Würden wir im Proberaum abgekapselt vorbereiten, würden wir unbemerkt verglühen.

Viele Songs stammen aus euren Anfangsjahren. Gleichzeitig wirkt alles sehr gegenwärtig – nicht zuletzt bei „Fass die Uhr nicht an“.

Was hat euch dazu bewegt, alte Klassiker neu einzuspielen?

Wir fanden, es wäre nach einem Dutzend Studioalben Zeit für ein Best Of. Aber eine Playlist kann sich heute jeder selbst klicken. Neueinspielungen waren früher verpönt, aber ich war mir sicher, dass es saugut wird – und so war’s. Zwei Wochen später kamen die ICE-Videos aus den USA, Menschenjagden, „failed states“… Punkbands können dort kaum noch auftreten. Die Welt wird anscheinend von widerwärtigen Päderasten regiert – das ist krass.

„Fass die Uhr nicht an“ ist fast schon existenziell. Worum geht es im Song?

Der Titel ist ein Zitat aus American Psycho. Der Text ist von Ulf, der auch ein Buch (Wilde Sehnsucht) geschrieben hat. Der Song handelt davon, dass man glückliche Momente nie festhalten kann – egal wie hoch die Kameraauflösung ist. Wir können sie nicht mal wiederholen. Wir sind verflucht.

Mit „Thu den Ska“ habt ihr sogar einen Song ausgegraben, der euer Debüt eröffnen sollte. Warum jetzt?

Die Version damals war nicht kacke, aber eben nicht gut genug. Hör beides im Vergleich, dann weißt du, was ich meine.

Drei Jahrzehnte Bandgeschichte – mit allen Höhen und Tiefen.

Wenn du zurückblickst: Tiefpunkt und Höhepunkt?

Mein Zerwürfnis mit unserem Posaunisten Brian vor 20 Jahren war ein Tiefpunkt. Letztes Jahr ist unser alter Basser Peso gestorben – bei seiner Trauerfeier haben Brian und ich uns wiedergetroffen, geredet und verziehen. Das war ein Höhepunkt. Peso hat das posthum angestoßen. Er war ein großartiger Mensch, und ich vermisse ihn sehr.

Ihr sagt selbst, ihr seid inzwischen eher ein Rudel als eine klassische Band. Wie funktioniert das?

Wir haben alle Familien und Jobs, also wird viel gehustled. Da ist es gut, wenn Positionen flexibel besetzt werden können. Bei einem Gig ist die zweite Posaune wegen Depressionen ausgefallen – Ulf hat wortwörtlich seine Umzugskartons im Regen stehen lassen und kam zwei Minuten vor Auftritt. Depressionen begleiten uns stark. Ich selbst bin auch betroffen, aber ich hoffe, ohne Ausfall durchs Tal zu gehen.

Was hat euch immer wieder motiviert, weiterzumachen – auch in Krisen?

Ich mache Musik, um meiner Unzufriedenheit Luft zu machen. Ohne Konzerte werde ich zum angeschossenen Tiger. Während des Lockdowns bin ich fast wahnsinnig geworden – Motorradrennen war mein Ersatz, weil man da auch alles geben muss.

RANTANPLAN war nie nur Soundtrack für gute Laune.

Wie politisch war es 1995 gemeint – und wie politisch seid ihr heute?

Wir waren von Anfang an politisch, hingen mit …but alive ab. Heute sind wir’s immer noch, auch wenn wir scheitern. Wir versuchen Aufmerksamkeit zu schaffen: für Seenotrettung, Antifaschismus, Gnadenhöfe, Klimawandel.

Fühlt ihr euch noch als Gegenentwurf zu den aggressiv-maskulinen Hardcore-Bands?

Na ja, die letzten Jahre haben uns ignoriert oder gehasst, weil wir „Weicheier“ sind. Damals spielten „harte“ Bands verschiedenster Genres zusammen – heute ist das enger. Bei uns konnten Mädels immer tanzen, und wenn jemand sie wegpogen wollte, haben wir eingegriffen. Unser Publikum ist cool, das funktioniert.

Ska-Punk ist kein Trend-Sound 2025. Was bedeutet euch das Genre noch?

Es ist die geilste Schublade in der Schrankwand – breit, groß, da passt alles rein. Ich bin heilfroh, keinen Trend-Sound bedienen zu müssen. Wäre ich heute 23, würde ich RANTANPLAN genauso gründen.

Was ratet ihr jungen Bands, die zwischen TikTok und Spotify ihren Weg suchen?

Hände weg von Social Media – wir werden da lebendig gefressen. Junge Bands brauchen Nerds, die das übernehmen. Künstlerisch sollten sie nur ausdrücken, was sie wirklich ausdrücken wollen. Wenn es intensiv ist, zieht es Kreise.

30 Jahre sind eine lange Zeit – aber ihr klingt nicht müde.

Kommt irgendwann der Punkt „Jetzt reicht’s“ – oder ist es der Anfang vom nächsten Kapitel?

Keine Ahnung. Die meiste Zeit meines Lebens ist rum, und ich bin rauchender Asthmatiker. Aber ich hoffe, die Energie reicht noch eine Weile für Gigs.

Wenn ihr euer Vermächtnis in einem Satz formulieren müsstet – wie würde der klingen?

Wenn die Revolution nicht tanzbar ist, sind wir nicht mit dabei.

Info
18. August 2025 
9:27 Uhr
Band
Rantanplan
Genre
Punk Rock
Autor/en

 Seb

Fotocredit/s
Michael Raadts
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