E-Werk, Saarbrücken – 2024, der Sommer, in dem sich die NOFX zur Ruhe setzt und das definitiv nicht im Stillen. Im Rahmen ihrer Abschiedstour wurde am 01.06 ein ganzes Open Air Festival rund um die Altpunker am E-Werk aufgestellt. Fans von NOFX durften sich auch auf The Meffs, The Last Gang, Talco, Itchy, Circle Jerks und natürlich ein letztes Mal die Headliner freuen. Während für Punkfans aller Generationen etwas dabei war, blieb jedoch nicht alles bei dem kleinen Tagesfestival Sommer, Sonne, Sonnenschein.
Zur Parklage -Fehlende Regulation
Obwohl es ein kostenloses, großes Parkgelände für das Open Air am E-Werk gab, war dieses bei unserer Ankunft bereits vollgestellt. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn nicht so kreuz und quer geparkt worden wäre, dass oft Zwischenräume entstanden waren, in die fast Autos reingepasst hätten. Eine Regulierung seitens der Veranstalterinnen hätte diese Probleme sicherlich erspart. Dank dem Parkhaus einige Meter weiter, das lediglich einen Euro gekostet hatte, war der Ärger allerdings schnell verflogen.
Auf dem Gelände angekommen – Versorgung gesichert!
Das Gelände bot zahlreiche Getränke- und Speisenangebote auf einem vergleichbar kleinen Raum. So waren die Warteschlangen stets sehr kurz und man konnte sich schnell über einen vollen Magen und gestillten Durst freuen. Das Bonsystem, das mindestens 20 Bons (also 20 Euro) vorab für den Kauf von Getränken verlangte, empfand ich als sehr unpassend für ein Punkfestival. Gewinnorientiert arbeiten ist bis zu einem gewissen Grad verständlich (jeder muss von irgendwas leben!), dennoch verschließt diese Vorgehensweise einem finanziell schlechter bestellten Publikum womöglich die Türen – was, wie gesagt, nicht sehr punk ist!
Grenzen anderer akzeptieren: Einige im Publikum sollten sich schämen!
Punk definiert jeder anders, dennoch stand für mich die Punkszene immer für Offenheit und als großer Vorreiter, was die Akzeptanz von Menschen jeden Geschlechtes, jedes Aussehens und jeder Kultur anbelangte. Umso geschockter war ich, als die Toilettentür des Kameramannes aufgerissen und dieser belästigt wurde. Es gab genügend andere Dixietoiletten, die von den verantwortlichen Personengruppen gewählt werden konnten. Diese Handlung war grenzüberschreitend und geschah um der Schikane Willen. Zudem hätte auch Sicherheitspersonal anwesend sein müssen. Auch ich blieb an diesem Abend vor übergriffigen Verhalten nicht verschont: Ein Betrunkener meinte, eine Fremde von hinten umarmen wäre angebracht. Ich konnte den Mann von mir wegschubsen, aber Hilfe von den Umstehenden blieb aus. Schade, dass man sich schon VOR dem Festival, die Stimmung so vermiesen lassen musste. Lösungsansätze hier wären eine sichtbare Anlaufstelle mit Beauftragten für exakt diese Fälle gewesen oder Codewörter, auf die das Sicherheitspersonal geschult ist.
The Meffs, The Last Gang, Talco – Top Warm Ups!
Die britische Punkband The Meffs und das kalifornische Quartett The Last Gang heizten die Stimmung schon früh an. Aber spätestens bei Talco, die feinsten italienischen Ska präsentierten, war das Publikum guter Dinge. Bei Aufforderungen zum Mitmachen ließen sich die Leute nicht zweimal bitten. Eine nette Abwechslung, insbesondere wenn man sonst eher Metalcore und Hardcore-Publikum gewöhnt ist, das sich nur schwer aus der Reserve locken lässt. Aber hier wurde sich über jeden gefreut, ob die Band einem bekannt war oder nicht. Musikalisch und Performancetechnisch gab es nichts zu meckern. Auch der Sound war weder zu laut, noch zu leise!
Itchy – Auch Jesus hatte Spaß!
Itchy gehört zum deutschen Punk-Inventar einfach dazu! Das Trio gibt sich bis heute stets sympathisch, bodenständig und im respektvollen Maße humoristisch. Zudem hat Itchy ihr Set gründlich durchdacht und eine gute Mischung aus bekannten Songs gespielt. Man merkt, dass sich jede Band an dem Tag gefreut hat, auf dieser Bühne zu stehen und die Leute lächeln sehen wollte. (Bis auf eine Band, aber dazu später mehr). Besonders bei Itchy wurden die Leute zur Bewegung im Pit angeregt, besonders schön hier war mit anzusehen, dass wirklich jede Person das Gefühl hatte, in den Pit springen zu können. Auch Jesus. Dieser wurde ebenfalls von der Band bemerkt und regte zu einigen Lachern an. Und hey, der liebe Sohn Gottes trug ein „Kein Mensch ist Illegal“-Sticker, worauf sich nur mit Amen antworten lässt!
Circle Jerks – Punks not Dead!
Circle Jerks darf vor allem die frühe Hardcorepunk Generation gefreut haben! Wer Circle Jerks nicht kennt: Fast jede kalifornische Punk oder Rockband kann eine Verbindung zu einem der Bandmitglieder aufweisen. Keith Morrison als ehemaliger Black Flag Sänger oder Gitarrist Greg Hetson von Bad Religion sind einfach Legenden, die es sich lohnt auch in dieser Konstellation gesehen zu haben. Dafür braucht es keinen ‚Singalong‘, wie es andere Bands haben. Der rauere Sound ging mit charmanten Vorstellungen aller Bandmitglieder und der Coolness von Keith Morrison auf der Bühne dem Publikum in Fleisch und Blut über. Etwas grober im Pit, aber mit guter Konzertetiquette wurde die Hardcoremanier umgesetzt. (Und das trotz steigendem Alkoholpegel). Die vorherigen Bands hatten einem richtig Lust gemacht, NOFX als Höhepunkt des Abends zu sehen…
Verhalten nicht mehr zeitgemäß
Dass NOFX gerne mit Grenzüberschreitungen spielen und waschechte 80s Punks sind, wusste ich, obwohl ich nach etlichen Jahren NOFX zum ersten Mal auf der Bühne sehen durfte. Mit dem Folgenden hatte ich jedoch nicht gerechnet. Zunächst begann die Show mit einer wahnsinnigen Vorfreude im Publikum. VIP’s (sehr viele mit Kindern) tummelten sich direkt auf der Bühne. Die winzige NOFX Flagge anstelle eines großen Banners brachte einen zum Schmunzeln. Zum Einstieg wurde der Song „Time Warp“ vom Musical „The Rocky Horror Picture Show“ vom Band gespielt. Als Hommage an Fat Mike, der den sexuellaufgeladenen Filmklassiker heiß und innig liebt seit er 8 Jahre alt ist. Wie bereits angekündigt wurden die nächste Stunde bis zur Pause Klassiker wie „Lori Meyers“ gespielt. Musikalisch einwandfrei, fast schon zu perfekt für eine Scheiß-Drauf-Attitüde.
Jeder ist sich selbst der Nächste
Vor der Bühne ging es wesentlich ungesitteter ab: Viele Zuschauer*innen fingen an Ort und Stelle an zu pogen, anstatt den Pit durch Schieben zu vergrößern. Ich persönlich hatte keine Lust an dem Abend im Pit zu sein. Aber man wurde aus dem Nichts herumgeschubst und nicht darin zu landen war fast unmöglich. Während ich erst versucht hatte rauszukommen, musste ich mich irgendwann wehren, um nicht weiter in diesen Sog zu geraten. Die Dame, die sich verzweifelt an mir festgeklammert hatte, um ebenfalls herauszukommen (an dieser Stelle, Entschuldigung, dass ich dich abgeschüttelt hatte), war der beste Beweis, dass ich nicht die Einzige war, die dieses Verhalten nicht gut fand.
Keine Kindershow, aber muss das sein?
NOFX ist keine Band, die für Kinder geeignet sind. Allein die Songinhalte von Sex und Drogen richten sich schon an ein reiferes Publikum, geschweige denn von den (teils geschmackslosen) Witzen und sexuellen Anspielungen auf der Bühne. Gerade weil genügend Punks oftmals viel zu früh in eine viel zu Erwachsene Musikwelt hineingezogen worden sind, sollte man sich Gedanken machen, ob man Kinder unter 14 Jahren wirklich mit auf ein Konzerte bringen muss. Denn das Programm mit sexuellen Anspielungen, Drogenverherrlichenden Sprüchen wurde knallhart durchgezogen.
Schikane des Publikums
Das nächste Ärgernis folgte sofort, denn NOFX fand es für angebracht ihre „Comedy“-Show unter der Gürtellinie zu beginnen. Saarbrücken wurde von den Bandmitgliedern mit Frankreich verbunden und man fragte nach Franzosen im Publikum. Als sich ein Herr freudig meldete, bemerkten sowohl Gitarrist El Hefe und Fat Mike aufgrund dessen vermeintlich großer Nase, dass er wohl jüdisch aussehe. Auf einen antisemitischen Stereotyp gerade in Deutschland anzuspielen ist absolut nicht akzeptabel und weder mit eigener Herkunft noch mit „Comedy“ zu rechtfertigen. Diese Arten von Bemerkungen fielen an dem Abend vermehrt. Die Band schaute wortwörtlich auf ihr Publikum von der Bühne herab und machte sich über diese auf Grundlage geschmackloser Vorurteile lustig. So fiel innerhalb der ersten beiden Songs ein Herr gefährlich hin und verletzte sich. Daraufhin forderte Fat Mike das Publikum auf, ihn auszulachen, gefolgt von der Bemerkung, dass Deutsche wohl aufgrund ihres Bierkonsums so viel stolpern würden. (Haha, Deutsche und Bier. Wie witzig.)
Auch schon früher kontrovers gewesen
Dieses Verhalten stellte vollkommen die musikalische Leistung der Band in den Schatten, was mich einfach enttäuscht hat. Dass NOFX für Kontroverse sorgen ist anhand diverser Beispiele nichts Neues, wie ein Witz über den Amoklauf auf dem Harvest Festival oder sexualisierender Kommentare über die damals 19-jährige Hayley Williams, dass sie gute ‚Rim Jobs‘ gäbe. Gerade im Hinblick die Auflösung sollte man sich Gedanken darüber machen, was Punk eigentlich für eine neue Generation bedeuten sollte und ob wir in der Musikszene wirklich noch bereit sein wollen, eine solche Attitüde zu dulden. Die Welt verändert sich und Subkulturen waren schon immer Vorreiter für das Neue, warum also an alten, offensichtlich fragwürdigen Dingen so krampfhaft festhalten?
Hier gibt’s was zu sehen:
Wer die Abschiedstour von NOFX noch erleben möchte, kann sie noch an folgenden Terminen erwischen:
07.06.2024 – Augsburg, Gaswerk Open Air (Support: CIRCLE JERKS, NEGATIVE APPROACH, THE LAST GANG und weitere)
08.06.2024 – Berlin, Zitadelle Spandau (Support: PENNYWISE, DESCENDENTS, THE MEFFS und weitere)
09.06.2024 – Berlin, Zitadelle Spandau (Support: CIRCLE JERKS, ITCHY, NEGATIVE APPROACH, THE LAST GANG)