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100 KILO HERZ im Interview – „Wir tanzen auf den Trümmern“

Mit „Hallo, Startblock“ zünden 100 KILO HERZ das nächste Kapitel ihrer Bandgeschichte – persönlich, politisch und mit ganz viel Herz. Im Gespräch mit Sänger Steffen geht’s um Neubeginne, Dörfer, Safe Spaces – und die Kunst, nicht im Stillstand zu versacken.

„Hallo, Startblock“ klingt wie ein Aufbruch. Was genau war euer Startblock beim Entstehen des Albums – musikalisch, thematisch oder ganz persönlich?

Wir haben uns kein großes Überthema ausgedacht, bevor es losging. Klar war nur: Wir wollen ein Album machen – gemeinsam. Ich glaube, unser Startblock war die neue Bandkonstellation. Da steckt viel gegenseitige Motivation drin, der Wunsch, sich zu zeigen, was man draufhat. Und ich finde, das hört man auch.

Wie viel 100 KILO HERZ steckt noch aus den Anfangstagen in diesem Album – und wie viel ist neu?

Vier von sechs Leuten sind noch von Anfang an dabei – das spürt man. Hört man sich die Instrumentals isoliert an, klingen die gar nicht so anders als früher. Neu sind meine Texte und Gesangslinien. Vielleicht lenkt das ein bisschen ab, aber das Herz der Band schlägt immer noch an der gleichen Stelle.

Ihr sagt selbst, dass eine Band im Stillstand tot ist. Was war für euch die größte Weiterentwicklung seit dem letzten Album?

Wir trauen uns mehr an Melodien und Harmonien ran. Ich suche oft nach Refrains, die sich wirklich entfalten – und das hört man, finde ich. Auch textlich sind wir vielleicht ein Stück positiver geworden.

„Wir sind hier nicht in Seattle“ – wie viel Autobiografie steckt in diesem Song? Und was bedeutet „Dorf“ für euch heute noch?

Der Song ist komplett autobiografisch. Ich hab lange das Dorf für meine verkorkste Jugend verantwortlich gemacht – aber mit 34 sehe ich das anders. Es waren eher die Menschen darin. Und schlechte Menschen gibt’s überall, Stadt wie Land. Ein Dorf ist halt immer die Summe seiner Leute. Ich hatte einfach Pech mit meinem. Aber durch die Touren habe ich auch tolle Dörfer erlebt.

In „Eh Ok“ geht’s ums Überleben nach dem Ende. War das Schreiben kathartisch oder schmerzhaft?

Es war vor allem erkenntnisreich. Ich trage keinen Groll mehr. Aber sich hinzusetzen und mal alles durchzugehen – was passiert ist, wie ich mich gefühlt habe – das war sehr aufschlussreich.

„3:00“ ist auffällig ruhig. Wie schwer fällt es euch, solche leisen Momente zuzulassen?

Wenn die Idee erst mal da ist, fällt das gar nicht schwer. Wir kommen nur selten auf die Idee, so etwas zu schreiben. Ursprünglich war „3:00“ sogar als schneller Punkrocksong gedacht. Erst im Studio hat er sich verwandelt.

„Komm mit uns“ klingt wie ein Manifest. Ist das eher eure Utopie – oder eure gelebte Realität als Band?

Wir versuchen das zu leben. Eintrittspreise niedrig halten, keine Idioten auf Konzerten dulden – da achten wir drauf. Und ich bin froh, dass das in unserem kleinen Kosmos funktioniert. Vielleicht ist es eine Utopie, aber eine funktionierende.

Eure Texte sind oft politisch, aber nie plakativ. Wie gelingt euch dieser Spagat?

Danke! Ich selbst mag keine plakativen Texte. Natürlich könnten wir in jedem Song singen: „Nazis sind doof.“ Aber das wissen unsere Hörer*innen ohnehin. Interessanter ist doch: Wie kommt es überhaupt zu diesem Problem – und was kann man dagegen tun?

Wie wichtig ist euch das Thema Safe Spaces – auch im Konzertkontext?

Sehr wichtig. Unsere Musik soll für alle da sein. Wir achten aufs Publikum, sagen auch mal was, wenn sich jemand danebenbenimmt. Und wir hören zu. Wir sind sechs Männer auf der Bühne – wir wissen nicht, wie es ist, als FLINTA-Person auf einem Punkkonzert zu sein. Aber wir bemühen uns, das zu verstehen und besser zu machen.

Welchen Song vom neuen Album könnt ihr live kaum erwarten – und warum?

Da bekommst du von uns sechs verschiedene Antworten. Für mich ist es „Der letzte Tag“ – unser Song mit Ell aus Chemnitz. Der hat eine besondere Energie. Und ich freu mich riesig, ihn mit ihnen live zu spielen – bei drei Shows sind sie als Support dabei.

Wann fühlt ihr euch selbst im Stillstand – und wie geht ihr damit um?

Das passiert schon. Man arbeitet ein Jahr an einem Album, ohne Feedback. Das kann zermürben. Aber dann erinnern wir uns daran, worauf wir hinarbeiten: Der Moment, wenn es rauskommt. Wenn Leute es hören, wenn wir die Songs live spielen. Das gleicht alles aus.

Welche Zeile vom neuen Album beschreibt am besten, wo 100 KILO HERZ 2025 steht?

„Wir tanzen auf den Trümmern, das ist das Letzte was uns bleibt.“
(aus „Dem Untergang geweiht“)

Und jetzt ganz ehrlich: Wie fühlt es sich an, eine feste Größe in der Szene zu sein? Druck oder Stolz – oder beides?

Wir denken da ehrlich gesagt nicht viel drüber nach. Wir sind noch immer die gleichen Dullis mit dem gleichen Humor. Klar, jetzt dürfen wir mal etwas später auf die Bühne – aber sonst? Kein Druck. Nur Dankbarkeit. Und Bock.

Info
30. Juli 2025 
12:36 Uhr
Band
100 Kilo Herz
Genre
Punk Rock
Autor/en

 Seb

Fotocredit/s
Ania Sudbin
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