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Rock am Ring 2022 Ein Neustart mit Hindernissen?

Nach über zwei Jahren Pandemie fand Rock am Ring als erstes großes Festival statt – erstmals unter neuem Veranstalter. Dabei lief leider nicht alles rund und das möchten wir hier einmal näher erläutern.

Für die Besucher:innen war das Erlebnis leider durchaus durchwachsen. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Camping-Situation: Es war eine Katastrophe! Eigentlich brauchen wir nicht viele Worte verlieren, die Tatsachen sprechen für sich. Aber sortieren wir mal von Anfang an.
Bei der Planung der Campingplätze hat man anscheinend unterschätzt, wie viele Menschen tatsächlich auch campen werden. Die ursprünglich geplanten Campingplätze reichten überhaupt nicht aus, um alle camping-freudigen Festivalbesucher zu beherbergen. Somit mussten kurzfristig neue Bereiche eröffnet und Parkflächen dafür verkleinert werden. Die Anzahl der Sanitäranlagen blieb jedoch gleich, was zu teilweise sehr langen Laufwegen und noch längeren Wartezeiten führte.

Wer duschen wollte, musste das richtige Zeitfenster abpassen, denn die Duschen wurden an allen Tagen jeweils für mehrere Stunden abgeschaltet. Man wollte wohl in diesen Zeitfenstern Wasser sparen, um dem Hauptandrang an Duschwilligen genügend Wasser bieten zu können. Dies wurde leider nicht vorab kommuniziert und führte zu mehr als einem verwunderten Festivalbesucher, denn Duschen ist ja eigentlich ein zentraler Bestandteil beim Festival und sollte in der Planung nicht ganz unberücksichtigt bleiben. Übrigens: Auch wenn die Duschen dann mal angeschaltet waren, haben sie leider nicht fehlerfrei funktioniert.

Um beim Thema Wasser zu bleiben: Ebenso wie die wassergespülten Sanitäranlagen waren auch die Trinkwasser-Tanks sehr schnell leer. Ein absolutes No-Go.

Ein weiterer negativer Aspekt in Bezug auf die Campingsituation war, dass die Ordner an den Campingflächen nicht alle gleichmäßig geschult und eingewiesen waren und man somit teilweise sehr streng und teilweise gar nicht kontrolliert wurde. Das sinnvolle Mittelmaß war leider kaum bis gar nicht vertreten.

Auf geht’s nun zum Festivalgelände – vorausgesetzt natürlich man kam pünktlich an, denn ein weiterer Kritikpunkt waren eindeutig die Shuttles. Auch hier gab es leider zu wenige. Wie viel sind nochmal 90.000 Besucher:innen? Folglich waren die wenigen Shuttles, die gefahren sind, überfüllt (Was war eigentlich dieses Corona?) und außerdem fuhren die Shuttles meistens unpassend zu den eigentlichen Stoßzeiten.

Ist man dann aber einmal auf dem Festivalgelände angekommen, konnte man die in diesem Jahr neu eingeführten Chips an den Festivalbändern zum kontaktlosen Bezahlen testen. Aufladen ging hier zwar ohne Probleme, doch dafür ist man an anderer Stelle über die ein oder andere Hürde gestolpert. Es fehlte eine (regelmäßig aktualisierte) Übersicht über sein Guthaben und so kam man trotz der Rechnung im (ggf. bierbetäubten) Kopf häufiger in die Situation, dass ein paar Euro zum Bezahlen fehlten. Unangenehm. Ebenfalls unverhältnismäßig war das hohe Pfand, welches ebenfalls auf Teller erhoben wurde. Die Teller konnte man dann auch nur an einigen wenigen Rückgabestationen zurückgeben und somit war man gezwungen, entweder in der Nähe zu essen oder die Teller über das gesamte Gelände mitzunehmen.

Des Weiteren gab es zu wenige Mülleimer auf dem Gelände und so kam es, dass viel Müll einfach auf dem Boden landete.

Nach erfolgreicher Bewältigung der Hürden bei der Verpflegung wollte man dann frisch gestärkt in die vorderen beiden Bereiche der Utopia Mainstage. Leichter gesagt als getan.
Der Zugang lief über die Boxen in der Boxengasse und war unpraktisch aufgebaut.
Sobald Zone A gesperrt war, hieß es entweder in Zone B gehen oder noch eine ganze Runde zu laufen. Für Zone A anstehen war nicht gewünscht. Man machte sich also auf den Weg zu Zone B, um dann festzustellen, dass die Leute fünf Meter weiter hinten doch wieder in Zone A reingelassen wurden. Sehr sehr ärgerlich.

Ist man dann mal glücklicherweise in Zone A angekommen, musste man sich den Ordnern stellen. Diese waren durchweg schlecht gelaunt und sehr unfreundlich zu den Festivalbesuchern. Gäste wurden teilweise lautstark angebrüllt, weggeschubst oder durch die Gegend gezerrt. So sollte das nicht ablaufen!
Mit Blick auf die Bühne (aus welcher Zone auch immer) konnte man nun endlich die Shows der zahlreichen Bands genießen. Vorausgesetzt man konnte etwas hören, denn leider gab es bei mehr als einer Band massive Sound- und Technik-Probleme. Wer dafür verantwortlich war, ist unklar, aber Fakt ist, dass es diese Probleme gab und sie das Erlebnis deutlich getrübt haben.

Aufgrund der Tatsache, dass der Zugang zu den Zonen nur durch die Boxen an der rechten Seite möglich war und dies zugleich Ein- und Ausgang für diesen Bereich war, war ein Verlassen der Zone, während eine Band spielte, quasi nicht möglich.
Ein paar zusätzliche Sitzgelegenheiten hätten sicherlich auch nicht geschadet – aber das zählt wieder in den Bereich fehlendes Mengenverständnis bzgl. der Festivalbesucher:innen.

Ein wirklich ernstzunehmender Kritikpunkt bezieht sich auf sicherheitsrelevante Themen, die nicht zufriedenstellend bearbeitet wurden. Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht: Wenn man in einer kritischen Situation nach Ordnern rief oder wenn Rettungskräfte verlangt wurden, waren die Reaktionen teilweise absolut ungerechtfertigt und unpassend bei dieser Art von (Not-)Situation. Das entspricht weder professionellem Verhalten noch (eigentlich selbstverständlicher!) Hilfsbereitschaft bei medizinischen Problemen. Das Ganze wirft dann auch die Frage auf, wie sicher man sich überhaupt fühlen kann als Besucher einer solchen Großveranstaltung?

Schauen wir uns noch die Sicht und Einschätzung der Presse an. Auch hier war die mehrheitliche Meinung, dass man sich leider nicht an den guten und soliden Standards der letzten Ausgaben von RAR orientiert hat. Jede Bühne hatte eine eigene Weste, die man für den Zutritt benötigte. Die unterschiedlichen Westen konnte man aber nur zu bestimmten Uhrzeiten an zentraler Stelle abholen und so gab es sehr viele unnötige Laufwege, die für diese Branche sehr kostbare Zeit gekostet haben. Das Plateau war nicht zugänglich für die Presse und Fotografen, so dass nur aus dem Graben heraus fotografiert werden konnte. Nicht die beste Perspektive für die Fotografen. Dies war die letzten Jahre anders geregelt, aber leider wurde 2022 der Fokus nur auf die TV-/Streaming-Ausstrahlung gelegt. Sehr schade.

Ihr merkt, es gab durchaus mehr als einen Kritikpunkt, der sich für Rock am Ring 2022 anführen lässt. Sicherlich wiegen einige schwerer als andere, aber insgesamt waren viele Bereiche des Festivals schlichtweg einfach überfüllt (Wir stellen noch einmal abschließend die Frage: Wie viel sind eigentlich 90.000 Festivalbesucher:innen?), es gab zu wenige und zu enge Laufwege und die allgemeine Organisation aller Bereiche hat leider nicht wirklich gut funktioniert.

Wir hoffen, dass an den genannten Punkten zukünftig gearbeitet wird und man sich an alten Standards orientiert, welche sich bei schon bewährt haben. So könnte das Festivalerlebnis definitiv noch einmal optimiert werden.

ABER: Auch wenn man es nach diesem sehr kritischen Bericht nicht glauben mag, es gab auch einige (sehr) positive Aspekte, die wir natürlich nicht ungeachtet lassen wollen.

Besonders gut gefallen haben uns:

  • der große Pressebereich inkl. Verpflegung und insgesamt ganz gute Gegebenheiten fürs Arbeiten.
  • die EMP Backstage Area.
  • der Lidl Rockstore.
  • die vielfältigen Essensangebote.
    und
  • die Sicht vom Riesenrad. Es ist einfach schön, nach so langer Zeit, wieder so viele wundervolle Menschen auf einem Haufen zu sehen.

Zum Abschluss nun noch ein paar Zahlen und Fakten, die wir dem offiziellen Pressebericht entnommen haben:

  • 41.128 Mahlzeiten für die Crew
  • 150 Lichtmasten
  • 39 Kilometer Stromkabel auf dem Outfield
  • 23 Kilometer Stromkabel auf Infield
  • 45 Kilometer Zäune / GitterKomfort
  • Hygiene in Zahlen:
    o 700 WCs (davon 425 Vakuum-WCs)
    o 800 Mobiltoiletten
    o 650 Urinale
    o 600 Duschen
    o 1000 Waschbecken/Trinkwasserstellen
    o 200 Spiegel / Fön + Steckdosen für die Gäst:innen
  • Nachhaltigkeit & Verantwortung für einen sicheren Neustart:
    o 60% der WCs sind mit wassersparender Vakuum-Technik ausgestattet
    o 90% Wasserersparnis pro Spülgang (0,5l statt 5l pro Spülgang)
    o alle Urinale funktionieren wasserlos
    o optimierter Wasserverbrauch durch Brauchwassernutzung für die WC-Spülung
    o barrierefreie WCs / Duschen mit wassersparender Vakuum-Technik
    o 80% der WCs / Duschen sind blickdichte Einzelkabinen für eine sichere Privatsphäre („safe space“)
  • Bio und Organic-Food Catering
  • Organic und nachhaltig hergestelltes Merchandising
  • Kooperation mit tentation und Utopia zur Weiterverwendung kaputter / liegen gelassener Zelte.

Das war’s von unserer Seite und wir sind gespannt, was die nächste Ausgabe von Rock am Ring für uns bereithält.

Info
9. Juni 2022 
19:29 Uhr
Band
Genre
Autor/en

 Flo Leon Olli

Fotocredit/s
Xoxo Photography
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