Ich muss gestehen, dass Acres lange Zeit unter meinem Radar geflogen sind. Was nicht gleichzeitig bedeuten soll, dass mir der Sound und die Musik der Jungs nicht gefällt. Man könnte es eher ganz anders formulieren: oftmals habe ich nur an der Oberfläche gekratzt, ohne dann einen Blick hinter die Fassade zu werfen. Mein Fehler sozusagen, denn das würden mir vermutlich viele Fans der Band sofort vorwerfen. Und diese Kritik nehme ich mir an und versuche euch nun ein paar viele Worte über die neue LP der Briten. Doch beginnen wir am besten weiter vorne.
Acres sind eine Post-Hardcore-Band (mit einigen Einflüssen bzw. Zügen zum Metalcore) von der Südküste Englands, die Musik wegen der Textur, des Klangs, des Gefühls, des Ambientes und der Emotionen spielt, die sie erzeugt. Ihre Musik ist eine Mischung aus strukturellem Ambiente, schwebenden Melodien und rohen, kraftvollen Emotionen. Bisher wurden mit der EP „The Tallest Of Mountains“ (2012) und dem Debütalbum „Lonely World“ (2019) zwei größere Releases ausgeworfen. Drei Jahre nach dem Debüt folgt nun die mit Hochspannung erwartete zweite Platte „Burning Throne„, dessen Dekade mit der Veröffentlichung des gleichnamigen Titeltrack im Juli 2022 begann.
Nun stellt ihr euch natürlich berechtigerweise die Frage, ob „Burning Throne“ ein würdiger Nachfolger von „Lonely World“ sein wird und hierbei möchte ich gerne Licht ins Dunkle bringe.

Tracklist:
01. Nothing
02. Burning Throne
03. Hold On
04. The Death of Me
05. Visual Hallucinations
06. My Everything
07. Feel Anything
08. Into Flames
09. When You’re Gone
10. Lost in Our Own World
„Suffocate and watch me burn so you can come alive“
Der Eröffnungstrack „Nothing.“ besticht nicht nur durch seinen agilen Sound, sondern auch dank des Feature-Gastes Garret Russell (Silent Planet). „Nothing.“ eröffnet das zehn Tracks umfassende, vierunddreißigminütige Werk mit einem höllischen Knall und ist möglicherweise das härteste Stück, das Acres in ihrer Diskografie ausweisen. Mörderische Riffs treffen auf den lieblichen Gesang von Vocalist Ben Lumbers und dazu liefert Garret einfach wahnsinnig bahnbrechende Screams.
Weiter geht es dann mit dem bereits in der Einleitung angesprochenen Titeltrack „Burning Throne„. Am besten beschreibt Fronter Ben den Songs selbst mit den folgenden Worten:
„Burning Throne speaks about how one minute you can feel like you have everything you’ve ever needed around you and then all of a sudden it all gets taken away. The track reflects on the emotions we were feeling during the pandemic not only as a band but as individuals.“
„Tell me, do you feel alive, or are you hurting inside?“
Mit einem der besten Refrainsauf der Platte ist „Hold On“ einfach wunderschön und beschreibt die Qualen, wenn man zusieht, wie ein geliebter Mensch alles um sich herum zerstört und man nicht in der Lage ist, einzugreifen. Besonders auffällig ist der Gesang von Ben, der von einer traurigen, ätherischen Atmosphäre durchdrungen ist. Dieser Song wird vermutlich zu ein paar Tränen führen.
„Did you feel the pain you put me through?“
Der vierte Song „The Death Of Me“ ist eine zarte, herzzerreißende Hymne. Also folgerichtig geht es in dem Tempo und der Stimmung weiter, wie auf dem letzten Track. Das Lied handelt von verlorener Liebe und dem nur allzu verständlichen Gefühl der Unzulänglichkeit für die Liebe eines anderen. Definitiv werden Fans diesen Song verdammt lieben.
Als Nächstes folgen mit „My Everything“ und „Feel Anything“ zwei brandneue Tracks, aus den insgesamt fünf Singles, die aus „Burning Throne“ nicht im Vorfeld ausgekoppelt wurden. Beide Songs sorgen für einen reibungslosen Ablauf des Albums, vor allem das Eröffnungsriff von „My Everything“ verleiht dem Album ein Gefühl der Eindringlichkeit mit einigen unbestreitbaren The Plot In You-Vibes. „Feel Anything“ hält diesen Schwung mit einem Zusammenspiel perfekt abgestimmter Lead- und Rhythmusgitarren von Alex Freeman aufrecht, der die erhabene Aufgabe hatte, die LP in der Abgeschiedenheit des Lockdown zu schreiben.
„Forgive me, I’m letting us die“
Der achte Track „Into Flames“ folgte auf die Single-Veröffentlichungen von „Burning Throne“ und „Hold On“ im November 2022 und war der Song, mit dem Acres die Ankündigung des neuen Albums einleitete. Vocalist Ben beschreibt „Into Flames“, das die hochemotionalen Themen des Albums – Frustration, Leid und Niederlage – vereint:
„About having everything you love getting taken away from you. During the pandemic everyone’s life was turned upside down and this song is about the fear of the unknown, wondering if things will ever be as easy as they were.“
„Into Flames“ ist mit Sicherheit ein unsicherer, beunruhigender Hörgenuss mit unbehaglich klingenden Leadgitarren, die sich durch den ganzen Track ziehen. Eine gewisse Verletzlichkeit wird auch dank der Screams von Ben deutlich spürbar. Nirgendwo wird dies deutlicher als bei einem völlig unerwarteten Gitarrensolo gegen Ende, bei dem die Streicher in einem fast gewalttätigen Ausbruch frenetischen Zorns bis zum Äußersten getrieben werden. Für mich das absolute Highlight der LP!
„When you’re gone and I’m lost“
In einer Zeile sind die beiden letzten Tracks auf „Burning Throne“ eigentlich perfekt zusammengefasst. Das Album geht mit „When You’re Gone“ und dem Schlusstrack „Lost In Our Own World“ zu Ende. „When You’re Gone“ ist eine befreiende, an Verzweiflung grenzende Ausdrucksflut, die sich mit dem beschäftigt, was ich als Bindungsangst in Verbindung bringen würde. Besonders gefällt mir hier das Drumming, welches ziemlich nach Vorne geht. „Lost In Our Own World“ gibt der LP das Gefühl, den Kreis zu schließen und sich endlich sich selbst zu stellen. Der Track vermittelt eine ergreifende Botschaft von Verlust und Herzschmerz und schließt „Burning Throne“ mit einer traurigen Note ab, die einen einfach nicht loslässt.
Fazit:
Schließlich ist „Burning Throne“ die fast vierjährige Wartezeit nach „Lonely World“ wert, und es baut auf all dem auf, was seinen Vorgänger so verlockend gemacht hat. Ach ja, und es bietet noch einiges mehr! Wenn es um Emotionen geht, kommt man an Acres einfach nicht vorbei. Ganz zu schweigen, von den bitterlich süß klingenden Refrains und Melodien. Das die Jungs den Post-Hardcore beherrschen, dürfte allen bis dato klar gewesen sein. Doch die neuartigen Ausbrüche in andere Genres (Metalcore, Stadion-Rock) machen das Gesamtpaket nur noch runder. Auf eine Live-Tour dürfen wir uns nun alle freuen und drücken die Daumen, dass die Engländer den Weg nach Deutschland finden werden!
Rating:
Es bleibt nicht mehr viel zu sagen, außer, dass ich mir noch ein paar mehr „wütende“ Songs auf dem Album gewünscht hätte und daher nur mögliche 8 von 10 Punkte vergeben kann. Die Weiterentwicklung von Acres macht Spaß zu beobachten und nun werde ich die Briten auch nicht mehr von meinem Radar bekommen!
Line-Up:
Alex Freeman – Guitars
Theo Sandberg – Guitars
Matthew Hiscock – Drums
Ben Lumber – Vocals