AlbumreleaseNewsReview

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„Dystopia“ – Caliban

Als sich im Jahr 2020 aufgrund der Pandemie die Tore der Welt schlossen, konzentrierte sich die deutsche Metalcore-Speerspitze Caliban auf die Arbeit im Studio. Und diese Arbeit war alles andere als unproduktiv, denn zunächst erschien mit „Zeitgeister“ eine Sammlung klassischer Caliban-Songs, die in ihrer Muttersprache neu aufgenommen wurden. Doch vor allem arbeiteten sie auch an dem brandneuen Album „Dystopia„, welches am morgigen Freitag erscheint! 

Die Herangehensweise an „Dystopia“ war instinktiv und natürlich. Das Ergebnis ist  düsterer und härter. Eine Ansprache an den Zustand der Welt und ein Zeichen für diese festgefahrenen Zeiten. Die Bandmitglieder arbeiteten in relativer Isolation und konnten sich nicht wie sonst üblich zu gemeinsamen Schreibsessions treffen. Ideen wurden über das Internet ausgetauscht und weitergegeben. Dennoch kamen die Ängste und Befürchtungen, die sie alle empfanden, durch. Daher auch die erste Zeile des Titeltracks und der Schlachtruf des Albums: „Welcome Dystopia – Come show me who you are!

Inmitten der Wut und der akustischen Trümmer gibt es immer noch einen Hauch von Hoffnung, wenn die Band nach Identität und Solidarität sucht und sich schließlich aus der dystopischen Asche erhebt.

Also zeigen wir euch jetzt, was ihr auf „Dystopia“ erwarten könnt und wünschen viel Spaß bei unserer Review!

Mit dem Titeltrack und einer der drei Single-Auskopplungen beginnt das Album wie es beginnen muss – schwere Parts, starke Riffs und eine absolut eingängigen Hook. Dazu hat man sich für den tollen Refrain mit dem ersten Feature-Gast Christoph Wieczorek (Annisokay) direkt einen Hochkaräter ins Boot geholt, dessen Stimme sehr gut mit dem „rotzigen“ Sound von Sänger Andreas Dörner harmoniert.
Der Song bringt auf jeden Fall die alten Melo-Death-Wurzeln aus dem Metalcore zum Vorschein. Außerdem zeigen Caliban, dass sie die Balance zwischen flinken Riffsknallharten Two-Step-Einlagen und bombastischen Breakdowns immer noch beherrschen. Ein tadelloses „Blegh“ darf im ersten Track natürlich auch nicht fehlen – davon darf es gerne mehr geben! 

Über den neuen Song sagt Sänger Andy Dörner:

„In Dystopia geht es darum, dass die Welt eine Fälschung ist. Wer bist du in dieser Welt, oder besonders im technologischen/digitalen Zeitalter hinter unseren Bildschirmen, wo du jeder sein kannst.“

Somit ist der Track auch thematisch eine Einführung in das siebte Album unter Century Media.

Der nachfolgende Track „Ascent Of The Blessed“ war sozusagen der erste Vorbote zum neuen Album der Essener Urgesteine des Metalcore. Auf diesem Track zeigen Caliban wie sie die weitläufige Dynamik in ihrem Sound perfekt ausnutzen. Vom Aufbau ist der Song ein „klassischer“ Caliban-Track, den wir so von den Jungs kennen und lieben. Starke Gitarrenriffs, ein melodischer Refrain und ein finaler Breakdown, der das Ende des Songs einleitet.
Besonders im Vordergrund steht hier der mörderisch gute Gesang von Gitarrist Dennis Schmidt, welcher von den gespenstisch klingenden Leads von Gitarrist Marc Görtz gegen Ende des Tracks unterstützt wird.

An Stelle Nummer 3 auf der Tracklist finden wir, ziemlich witzig aus unserer Sicht, auch die dritte Single-Auskopplung „VirUS„. Ob das Absicht war? Wer weiß.

Wie sollen wir anfangen? Dieser Track strotzt nur so vor donnernden Drums, starken Riffs und basszermürmenden Klängen. Ja, so kennen wir Caliban und jeder würde mit uns sofort eine Petition unterschreiben, wenn wir nur noch mit solchen Moshpit-killenden Songs von ihnen überschüttet werden würden. Außerdem verbirgt sich hier mit Marcus Bischoff (Heaven Shall Burn) der nächste Gastauftritt und dieser bietet Andy die Stirn, denn der Gesang der beiden wirkt wie ein Schlagabtausch.

Thematisch gesellschaftskritisch beladen, ordnet sich der Song perfekt in das Gesamtgefüge des Albums ein und Vocalist Andy Dörner sagte Folgendes dazu: 

„Es geht nicht um einen echten Virus wie COVID, sondern um Ideen, die in unsere Köpfe gepflanzt werden und sich wie ein solcher ausbreiten und uns von innen heraus auffressen. Außerdem ist es eine geballte Ladung aus mehr als 20 Jahren Freundschaft, eine echte Metal-Mischung, die dir das Genick brechen wird.“

Auf „Phantom Pain“ heben Caliban das „good-cop-bad-cop„-Muster des Metalcore hervor, indem sie die beiden Enden des Spektrums in einem ausgewogenen Song vereinen. Es wird mit einer harmonischen Melodik über strafende Schläge gesungen oder in den Strophen die rücksichtslose Aggression der New Wave of American Metal beschrieben. Auch ein thematisch ernster und härterer Song, der in ein schöneres und leichtes Gewand gehüllt wurde.

Während sich Caliban mit dem an Chester Bennington erinnernde Gesang und den melodramatischen Leads auf „Alien“ etwas aus ihren üblichen Gefilden trauen, bewahren sie dennoch ihre Identität und Wurzeln, indem sie Riffs aus der alten Schule hinzufügen, falls ihr diese schon vermisst habt.

Doch genau dieses Experimentieren und Verbinden von alt bekannten Tunes mit ruhigeren Gesangseinlagen macht die Jungs eben aus und erinnert beim Hören auch sofort an sie!

Der nächste Song „sWords“ bricht die vorangegangene Melodramatik mit einem schnellen Drumset direkt zu Beginn. Auch dieser Song hat einen melodischen Anteil, der zum neuen Sound von 2022 gehören mag, doch die aggressiven Gitarrenriffs, die den heavy-klingende Anteil bei diesem Track ausmachen, bewahren die zeitlose Qualität der Band. Diese Symbiose der weichen und harten Klänge animiert definitiv die Fans mehrerer Generationen gemeinsam zum Headbangen.

Mit den Worten „Spit it out“ wird der Titel auf einer Liveshow wohl möglich zu einem Crowdkiller. Ja, wir wissen crowdkillen ist uncool, wir meinen auch eher die energiegeladenen Moshpits inklusive Wall-Of-Death.

Es geht interessant weiter mit dem klassischen Stomp in „Darkness I Became“ – durchaus eine angenehme Überraschung neben dem moderneren Refrain. Auch die Synthies und Einklänge im eingängigen Refrain peppen diesen Song um einige Stufen nach oben auf. Mitsingfaktor garantiert!

Mit „Dragon“ wartet dann ein ganz besonderer Leckerbissen auf viele alteingesessene Melo-Death-Fans. Standardmäßig klingt dieser Track nicht, denn der Aufbau und die Struktur sind ebenso besonders hervorzuheben, wie der nächste Feature-Gast.

Zu Beginn flüstert Vocalist Andy Dörner erst ins Mic begleitet mit nichts weiter als Gitarrenklängen, bevor der Song dann an Fahrt aufnimmt. Es kommen nach und nach die anderen Instrumente dazu und auch hier kommt es zu einem starken Schlagabtausch der beiden Sänger. Am Ende des Tracks bekommen wir durch die dämonischen Würgereflexe inklusive tiefstem Growling von Jonny Davy (Job For A Cowboy) noch eine Schüppe an Brutalität drauf gelegt. Für uns die Überraschung schlechthin und einer der brutalsten und denkwürdigsten Momente auf „Dystopia„! Zieht euch einfach dieses Feature rein – fett, fetter, Caliban!

In starkem Kontrast folgt mit „Hibernate“ der für uns „ruhigste“ Song des Albums. Mit dem fast schon akustisch klingenden Anfang gepaart mit Cleangesang zeigen die Jungs hier mal eine etwas andere Seite von Caliban. In den schwermütigen Strophen bekommen wir flüsternde Melodien auf einem Trip-Hop-Beat, welche im Refrain dann eine explosive Wendung nehmen.

Der nächste Song „mOther“ lässt und wieder die dunkle Seite der Macht betreten und dafür schrecken die Essener nicht davor zurück, die vertraut klingenden Riffs wieder auszupacken. Vorangehenden Drums, ein packender, melodischer Refrain und ein Caliban-typischer Sprechgesang, der den Breakdown vom letzten Drittel des Songs einleitet, empfangen uns bei diesem Song mit offenen Armen. Der packenden Refrains hätte vom Vibe auch durchaus auch auf dem Vorgänger „Elements“ zu hören sein können. 

Der vorerst letzte Track und Album-Closer (zumindest auf dem digitalen Weg) „The World Breaks Everyone“ zeigt den künstlerischen Kern der Band wohl am Stärksten. Caliban bewahren den künstlerischen Metalcore-Kern, den sie vor so vielen Jahren begonnen haben und werden mit dem Einsatz von neuartigen Elementen gleichzeitig den neueren Stilrichtungen gerecht. Ein solider Song, den man sofort als „Caliban-Song“ erkennt, rundet somit das Album ab.

Wie eben beschrieben, gibt es auf der physischen Version des Albums noch einen Bonustrack, welcher „D I V I D E D“ heißt. Falls ihr Bock auf einen weiteren Song der Band habt, solltet ihr auf jeden Fall bei den physischen Varianten zuschlagen.

Fazit:

Es wäre viel zu einfach zu sagen, dass „Dystopia“ einfach ein weiteres Metalcore-Album auf dem Markt ist, welches man hört und dann wieder bei Seite legt. Klar, die üblichen Markenzeichen sind alle vorhanden, aber Caliban schaffen es einfach, eine geschmackvolle Auswahl an Einflüssen auf den Tisch zu bringen, die ohne Angst und Risiken zusammengefügt worden sind. Das macht die Band nur, damit eben ihre Kritiker nicht sagen können, dass ihr Sound „altbacken“ daherkommt. Nach sage und schreibe 25 Jahren Bandkarriere, ist Caliban ein absolut würdiger Nachfolger von „Elements“ (das letzte Album auf Deutsch lassen wir außen vor) gelungen, der sich in ihrer Diskografie allemal sehen lassen kann. Und für alle die bisher noch nicht in den Hype-Train von Caliban eingestiegen sind, ist „Dystopia“ auf alle Fälle die perfekte Haltestelle, um mit einzusteigen. 

Die Reise nach Dystopia bekommt von uns 8 von 10 Punkten!

Autoren: Alex und Seb

Tracklist:
1. Dystopia (feat. Christoph Wieczorek of Annisokay)
2. Ascent Of The Blessed
3. VirUS (feat. Marcus Bischoff of Heaven Shall Burn)
4. Phantom Pain
5. Alien
6. sWords
7. Darkness I Became
8. Dragon (feat. Jonny Davy)
9. Hibernate
10. mOther
11. The World Breaks Everyone
12. D I V I D E D (Bonustrack)

Info
21. April 2022 
18:34 Uhr
Band
Caliban
Genre
Metalcore
Autor/en

 Alex Seb

Fotocredit/s
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