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In Flames – „Foregone“

In Flames repräsentieren das Beste aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Metal. Als New Wave Of Swedish Death Metal und innovative Verfechter von Groove, Hard Rock und Melodie sind die Kunstfertigkeit, der Einfluss und die Statur der Band so groß wie die Horizonte des pulsierenden Stils. Die weithin anerkannten Titanen verfügen über einen beeindruckenden und vielfältigen Katalog, der international gefeiert wird. In Flames sind heute noch genauso vital (und sogar noch energiegeladener) wie in den vergangenen Jahrzehnten, als sie Klassiker wie „Come Clarity“ und „Clayman“ herausbrachten.

Das Songwriter-Duo aus Sänger Anders Fridén und Gitarrist Björn Gelotte (die beide auf jeder In Flames-Veröffentlichung seit 1995 zu hören sind) ist nach wie vor eines der stärksten Kreativteams der Heavy Music.

Foregone„, das fulminante vierzehnte (!!!) Studioalbum, vereint die größten aggressiven, metallischen und melodischen Stärken ihrer bahnbrechenden Alben mit dem ausgereiften Songwriting ihrer postmodernen Ära. Die neue LP der Schweden wird am kommenden Freitag, den 10. Februar 2023, erscheinen.

Anders selbst sagte folgendes zur neuen Scheibe:

„In a way, it sounds stupid to say we wanted to be more ‘metal,’ because we always felt that we were. Over the last couple of years, the world became even more hostile and evil in certain ways. We have a war in Europe. People, in general, are more stressed. All of that energy and anger helped fuel this album. We went in to make something on point, heavier, and yes, ‘more metal.

Foregone“ ist das zweite In Flames-Album mit Bassist Bryce Paul und Schlagzeuger Tanner Wayne, das erste mit Ex-Megdeath-Gitarrist Chris Broderick und das dritte mit dem Grammy-prämierten Produzenten Howard Benson (My Chemical Romance, Three Days Grace). Mike Plotnikoff (All That Remains, Warbringer) produzierte in Bensons West Valley Recording Studios. Joe Rickard, der von 2016 bis 2019 Schlagzeuger bei In Flames war, übernahm das Mixing.

Doch genug vom Vorgeplänkel und rein ins Getümmel des guten alten Schwedischen Gothenburg Metals.

Tracklist „Foregeone“:

  1. The Beginning Of All Things
  2. State of Slow Decay
  3. Meet Your Maker
  4. Bleeding Out
  5. Foregone Pt. 1
  6. Foregone Pt. 2
  7. Pure Light Of Mind
  8. The Great Deceiver
  9. In The Dark
  10. A Dialogue In B Flat Minor
  11. Cynosure
  12. End The Transmission

Ein Intro wie ein Gedicht

Wenn mir im Vorfeld jemand gesagt hätte, dass In Flames mit einem solchen Intro in das Album starten würden, so hätte ich denjenigen für verrückt erklärt. Nicht weil es schlecht ist, genau das Gegenteil ist der Fall. Etwas besseres und epischeres, hätten sich die Schweden nicht ausdenken können. Gut, dazu muss man wissen, dass ich selbst auf genau diese Art von Intros stehe. Doch wenn zu Beginn des Albums eine Akustikgitarre in Szene gesetzt von einem kleinen, aber feinen Streicherquartett die Glocken einläuten lässt, so springt mein Herz freudig im Kreis. Alles richtig gemacht! Ganz vergessen, der Song hat natürlich auch einen Namen, der das Intro wohl kaum treffender beschreiben könnte: „The Beginning Of All Things„.

Die Flammen lodern wieder

Entschuldigt das schlechte Wortspiel, aber auch hier hätte ich keine besseren Worte für den nächsten Song finden können. „The State of Slow Decay“ liefert sofort die typischen In Flames-Riffs mit der typischen Stimmung der 2010er-Ära. Anders Herangehensweise ist jedoch besonders heavy, mehr als man vielleicht erwarten würde. Obwohl die Skandinavier dafür bekannt sind, dass sie ihren Sound in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt haben, gibt es in diesem Stück mit seinem unerbittlichen Tempo definitiv eine Anspielung auf ihre früheren Jahre.

Anders kommentiert den Track:

„We have always done our own thing without any pressure from the outside world, BUT being back with Nuclear Blast worldwide has for sure inspired us to write a host of new material that includes the past, the present, and the future. ‘State of Slow Decay’ includes everything that In Flames are known for. But it’s more than just a song, it’s a fucking statement. I couldn’t be happier to release this as a taste of what’s to come.“

Ein Start nach Maß

Und weiter geht es mit dem traditionellen Sound der Melo Deather. „Meet Your Maker“ ist ein pulsierender Track mit hypnotisierender Kraft und wütender Wut. Wie ein freigelegter roher Nerv spricht der Song von der Verzweiflung und Frustration, die durch die chaotische Dystopie der post-pandemischen Gesellschaft hervorgerufen wird. Lyrisch ein absolutes Meisterwerk, was mich bis dato immer wieder zu In Flames getrieben hat. Was mir persönlich am besten gefallen hat, ist Anders Clean Gesang. Man merkt, dass er fleißig daran gearbeitet hat, seine Stimme zu verbessern, und alles wirkt echter und weniger mechanisch, mit weniger Effekten darin. Dafür ziehe ich an dieser Stelle meinen imaginären Hut!

Anders selbst fügte zum Song noch hinzu:

When we started to write for Foregone, Meet Your Maker became the song that set the tone in terms of what we were aiming for sonically as well as thematically. You’ll see it’s everything you’ve come to expect from In flames and some. Enjoy and see you on the road in 2023!“

Drumming nachgeschärft

Was einem nach den ersten beiden Songs bewusst wird, obwohl auch Song Nummer 3 „Bleeding Out“ diese Verweise deutlich macht, sind die nachgeschärften Drums. Dazu habe ich in der Einleitung bereits beschrieben, dass Drummer Tanner erst zum zweiten Album an dieser Stelle sitzt. Doch es fällt auf jeden Fall auf, dass dieser junge Mann der Band sehr gut tut. Das bestätigte Anders auch:

„Tanner is the best drummer we’ve ever had. I don’t say that to diss anyone that came before. Tanner has so much energy and there is so much stuff going on all of the time. Bryce is an amazing bass player, really, really heavy, with a good feel. Chris comes in with all of his knowledge of the guitar. His solos are way different from Bjorn’s and the combination of those two guys just works perfectly. It’s easy to do what I do on top of it because the foundation is so solid.

Gestochen scharf ist dann auch das Gitarrensolo zum Ende des Songs. So etwas lässt mein Herz höher schlagen und zeigt aber auch, dass In Flames sowohl den alten, als auch den neuen Sound perfekt miteinander vermischen können.

„Please stay on this way, guys“

Es tut mir Leid, dass ich den Track „Foregone Pt. 1“ mit einem kleinen Zitat aus den Kommentaren des YouTube-Videos beginnen muss, doch zu dem Zeitpunkt, wo die Single erschienen war, konnte ich den kurzen Worten des Fans nur beisteuern. Ich wünschte mir nichts sehnlicheres, als das die Schweden genau dort weitermachen würden, wo sie mit den Singles aufgehört haben. Und was bekomme ich? Genau das! Das Tempo, die Blastbeats, die Akustikgitarren, das Solo, die Melodien, der Gesang. Einfach alles lässt meinen Nacken zucken und meine Augen aufblitzen.

„How did we end up here?“

Vielleicht liegt es immer wieder an den eingeflochtenen Akkustik-Gitarren-Sounds, doch diese Reihe der beiden Titeltracks macht ordentlich Spaß, auch wenn sich der Refrain auf „Foregone Pt. 2“ das ein oder andere Mal wiederholt. Zum Schlussteil des Songs werden wir von der hypnotisch wirbelnden Weise nochmal etwas erschüttert, doch das ist meines Erachtens genau das, was der Track gebraucht hatte.

Akkustik-Gitarren wo man auch hinhört

Die melancholische Akustik-Gitarre lässt uns auch in „Pure Light Of Mind“ nicht los. Ich höre einige von euch beim Durchlesen bereits sagen: „Kann der nicht mal aufhören damit und wie passen bitte so viele Akkustik-Sounds zu In Flames?“ Um ehrlich zu sein, hätte ich das auch nicht gedacht, aber im Nachgang werdet ihr mich verstehen, weshalb ich immer und so viel darauf rumgeritten habe. „Pure Light Of Mind“ ist eine ruhige Ballade mit einer eingängigen und schön tragischen Melodie und Gesangsparts. Nach den vielen Songs, die eher dem alten Muster der Skandinavier entsprungen sind, ist dieser Track die gelungene Abwechslung und bietet uns Kraft zum Auftanken. „I walked a mile and I do it again“ wird es noch einige Male in euren Ohren hallen. Wieder zeigen In Flames ihre lyrischen Fähigkeiten in Verbindung mit einem einprägsamen Chorus.

„We are doomed, we are cursed“

Der knallharte, energiegeladene Anfang von „The Great Deceiver“ steigert sich mit mehreren Tempowechseln zu einem Breakdown mit Solo, bevor es dann sogar ein kleines, ruhiges Intermezzo zum Durchatmen gibt. Ein gelungener Song zum Headbangen auf dem nächsten Konzert. Kleiner Fun-Fact am Rande, aber auch nur, falls es euch noch nicht aufgefallen war: das Lyric-Video wurde vom ehemaligen As I Lay Dying-Gitarristen Nick Hipa produziert.

Riffs, Riffs und nochmals Riffs

Es folgt mit „In The Dark“ ein aggressiver, marschierender Song mit einigen gespenstischen Klängen, die aus der Tiefe kommen. Die Riffs zu Beginn werden von weiteren starken Gitarrensounds gepaart, die den Song und Anders Stimme tragen. Mit den Worten „This is a war and no one will win it“ könnte man fast meinen, dass In Flames versuchen ein Machtwort gegenüber den herrschenden Regimen zu sprechen.

In Erinnerungen schwelgen

A Dialogue In b Flat Minor„, was ein Titel für einen Song. Doch bereits beim ersten Hören werden Erinnerungen wach. An eine Zeit des Gothenburg Metals, als die Szene so richtig erwacht ist. Der Schrei zu Beginn durch Anders wirkt fast wie ein Schrei eines Kindes, nach seiner Geburt. Durch die ausgewogene Kombination von cleanem Gesang und Screams erzeugt dieser Song einen Effekt der gespaltenen Persönlichkeit. Passend zum Songtitel! Und wieder einmal überzeugen In Flames nicht nur durch den Sound, sondern auch durch die Lyrik und die Struktur.

„I will make it real“

Im groovigen „Cynosure“ führt die Bass-Line durch den ganzen Song und wurde eindeutig in den Vordergrund gestellt. Doch abermals würde ich hier sogar die gesamte Rhythmus-Sektion erwähnen wollen. Der Kontrast zwischen einer relativ ruhigen Strophe und einem unwetterartigen Refrain macht den Song noch emotionaler.

Ein Ende ohne Schrecken…

Ganz im Gegenteil: ich nehme es vorweg! Ich hätte mir gerne noch mehr gewünscht, bzw. noch mehr zu hören von diesem lyrischen und musikalischen Erguss der Jungs aus Schweden. Mit „End The Transmission“ beschließen In Flames das Album auf eine prägende Art und Weise. Der Song endet ganz plötzlich, und „Nothing makes sense, and no one is listening“ sind die allerletzten Zeilen des Tracks. Klingt zunächst bitter, aber hier kann man sich daran erinnern, dass man das ganze Album von Anfang an hören kann!

Fazit:

Und zack, da sind wir schon wieder am Ende angekommen. Etwas trautig, wie ich es eben beschrieben habe, doch nun kann man die Platte einfach wieder drehen und von Vorne beginnen. Doch nun mal im Ernst, um das Ganze in wenigen Worten zusammenzufassen – das Album ist großartig. „Foregone“ ist ein typisches In Flames-Album voller existenzieller Fragen, düsterer Philosophie und Reisen zu den dunkelsten Teilen des menschlichen Geistes und der Seele. Das haben Anders und seine Jungs gerade lyrisch wieder großartig bewiesen! Gesanglich dürfte diese LP wohl das beste sein, was In Flames jemals geboten haben. Musikalisch dürfen wir die Wiederauferstehung der Skandinavier feiern, auch wenn man die Weiterentwicklung in vielen Teilen der Songs entdecken kann – und das im positiven Sinne!

Rating:

Von mir erhalten In Flames für „Foregone“ satte 10 von 10 Punkte, da sie nun da sind, wo ich sie mir vor 10 Jahren vorgestellt habe. Sie sind endlich angekommen!

In Flames sind:

Anders Fridén – Vocals
Björn Gelotte – Guitar
Chris Broderick – Guitar
Bryce Paul – Bass
Tanner Wayne – Drums

Info
5. Februar 2023 
21:50 Uhr
Band
In Flames
In Flames
Genre
Melodic Death Metal
Autor/en

 Seb

Fotocredit/s
Pressefoto
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