NewsReview

NewsReview

NewsReview

High Vis – Guided Tour

Seit ihrer Gründung im Jahr 2016 haben die Londoner High Vis ihre Palette an progressivem Hardcore mit Nuancen von Post-Punk, Brit-Pop, Neo-Psychedelia und sogar Madchester-Groove verfeinert und einen Mittelweg zwischen Hooklines und Wut, Melodien und Moshpits gefunden. Sänger Graham Sayle beschreibt ihr drittes Album „Guided Tour“ als eine Achse widerstreitender Kräfte: „Es versucht, eine hoffnungsvolle Platte zu sein, während es gleichzeitig wütend macht.“ Die Band, die von Schlagzeuger Edward ‚Ski‘ Harper, Bassist Jack Muncaster und den Gitarristen Martin Macnamara und Rob Hammaren vervollständigt wird, ist tief in der britischen und irischen DIY-Hardcore-Szene verwurzelt und wird gleichermaßen von Rastlosigkeit und gerechter Wut inspiriert. Sayle sagt: „Jeder kratzt sich, jeder arbeitet die ganze Zeit, und ihre Vorstellung von Entspannung ist, sich selbst zu ficken und der Realität zu entfliehen. Dieses Album ist eine Flucht davor.

Aufgenommen über mehrere Wochen in den Londoner Holy Mountain Studios mit Produzent Jonah Falco und Toningenieur Stanley Gravett (der auch die Sessions für High Vis‘ vorheriges Album „Blending“ von 2022 leitete), klingt das Ergebnis dynamisch und eingespielt, wie Hymnen, die sich durch Schweiß und Wiederholung ins Gedächtnis eingebrannt haben. Harper bringt es auf den Punkt: „Wir hatten von Anfang an eine klare Vision, jeder Moment wurde genutzt. Wenn wir 60 sind, können wir uns vielleicht hinsetzen und einen Schlagzeug-Sound austüfteln, aber jetzt geht es darum, die Dinge zu tun.

Was wir von der neuen Platte von High Vis halten und ob die Jungs uns überzeugen konnten, erfahrt ihr jetzt in unserem Review.

Tracklist:
01. Guided Tour
02. Drop Me Out
03. Worth The Wait
04. Feeling Bless
05. Fill The Gap
06. Farringdon
07. Mob DLA
08. Untethered
09. Deserve It
10. Mind’s A Lie
11. Gone Forever

Zu Beginn gibt es direkt den Titeltrack auf die Ohren, welcher zum Anfang mit einer kleinen Taxifahrt beginnt. Wohl gemerkt bedeutet „Guided Tour“ zu Deutsch „Geführter Rundgang„. Ziemlich easy und locker dürfen wir zu den ersten Lauten lauschen.

Looking in all the right places,
For what you’re missing tonight.
If you need some help?
I’ll be your guided tour.

Drop Me Out“ ist eine anarchische Revolte aus pfeilschnellen Punk-Gitarren und hymnischen 90er-Jahre-Riffs aus dem Indie-Songbook. Der Gesang von Sänger Graham Sayle beherrscht direkt von Sekunde 1 eure Ohren,ähnlich wie bei vielen Brit-Pop-Acts der 90er Jahre, mit seiner ausladenden Natur und einem Kitzeln von Hall. High Vis greifen diesen coolen Straßenbezug auf, und auch wenn sie total animalisch sind, verzichten sie auf totalen Atavismus. Stattdessen präsentieren sie uns etwas richtig Frisches ins Gesicht!

Der Track „Feeling Blessed“ ist eine Hommage an den grandiosen Brit-Pop mit seinen introspektiven Hooks, wie ihn Oasis und The Verve seinerzeit boten. Und diese Einflüsse sind in späteren Tracks wie „Untethered“ und „Mind’s a Lie“ wiederzufinden – ein absoluter Hochgenuss!

Fill The Gap“ ist eine amphetaminartige Stampede aus manischen Rhythmen und metallischen Gitarren, die dich mitreißt und nicht mehr loslässt! Ein mitreißender Chorus, der den Verstand mit Call-and-Response-Gesang imprägniert und alles durchdringt, wie der morgentliche Nebel, der sich durch nasskalte Herbsttage kämpft.

Der ätzende Sprühnebel von „Mob DLA“ führt das Album in aufregend ruppigere Gefilde! Mit einem Refrain, der Tote wiederbeleben könnte, lehnt sich Graham Sayles Gesang kraftvoll und deutlich gegen das Ohr, als wäre es eine Wand, ganz im Stil des legendären UK82-Punks. Krach und Raserei sind dank Ski Harpers Feuergefecht und frenetisch-tentakelartiger Drum-Aktion garantiert – was für ein Erlebnis!

Kurz darauf folgt mit „Untethered“ ein elektronisches Shuffle- und Click-Parts die von Jack Muncasters warmen, honigsüßen Basslines umhüllt werden, die sich in der Mitte des wogenden, melodischen Ausbruchs bewegen.

Deserve It“ und „Gone Forever“ – zwei absolute Kracher des Albums, greifen die Dynamik zwischen Gitarren und Drumming auf und bringen das Ganze richtig, richtig gut rüber! Ersterer kanalisiert eine innere Wut und drückt sie als Schönheit aus. Es klingt, als würden Züge durch dunkle Tunnel rasen oder als würden Treppenhäuser das Auf und Ab der Menschen verstärken. Letzteres, eine andere Art von Crash und Aufprall, ist ebenso unverblümt, ungeschminkt, unversöhnlich und absolut unvergesslich wie die Melodie, die nicht davor zurückschreckt, uns daran zu erinnern.

Mind’s A Lie“ ist eine wunderbare Anomalie inmitten des hauptsächlich aus Indie-Rock bestehenden Albums. Es repräsentiert die unbezwingbare Präsenz von Electronica, die im englischen Underground ihre chemischen Zauber wirkt. Dieser Song ist ein absoluter Alleskönner! Egal, welche Gelegenheit in der Geschichte der Menschheit du auch immer feiern möchtest – mit Sprachsamples der großartigen Südlondoner Sängerin und DJ Ell Murphy ist dieser Song dein absoluter Begleiter.

So endet die Fahrt durch Englands schönste bzw. unverblühmtesten Straßen und wir haben unser Ziel dank des Reiseführers erreicht.

Fazit:

High Vis ist einfach unglaublich! Man kann diese Band nicht in eine gewöhnliche Schublade stecken. Wenn jemand das Schubladendenken vollends abgelegt hat, dann ist es diese Band. Das Album ist eine Achterbahnfahrt der Emotionen. Im Mittelteil geht es wieder etwas hardcore-lastiger zu, während es gegen Anfang und Ende eher einen Indie-Rock-lastigen Sound bekommt. Am Ende des Tages muss jeder selbst für sich entscheiden, ob „Guided Tour“ ein Reiseführer für jeden selbst ist oder nicht.

Diese Band muss man live erleben! High Vis sind einfach mitreißend und voller Power.

Rating:

Im Vergleich zur Diskografie von High Vis pendelt sich „Guided Tour“ wohl eher auf Rang 2 oder 3 ein, weswegen es von mir lieb gemeinte 7 von 10 Punkten erhält.

Info
18. Oktober 2024 
10:02 Uhr
Band
High VIs
Genre
Hardcore Punk
Autor/en

 Seb

Fotocredit/s
Pressefoto
Weitere Beiträge