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Scowl – „Are We All Angels“

Die kalifornische Hardcorepunk Band Scowl ist für ihren rohen Sound für ihre temporeichen Eskalationen bekannt. Nun zeigen sie auf ihrem neuen Album „Are We All Angels“ eine ungewohnte musikalische Seite von sich und nehmen die Hardcoreszene kritisch ins Visier. Worum es geht? Die Erfahrungen von Sängerin Kat Moss als Frau in der männerdominierten Musikszene. Ein aktuelles Thema, aber kann neben Inhalt auch die Musik überzeugen?

Zwischen roher Aggression und melodischen Eskapaden

Sie gehören zu den Bay Area Bands der kalifornischen Hardcoreszene und sind seng verwurzelt mit Bands wie Drain, Sunami und Gulch. Die Band rund um Sängerin Kat Moss hat sich zuvor mit ihren rohen Demos und energiegeladenen zwei Minuten Brechern hervorgetan. Im starken Kontrast zu den heftigen eskalierenden Hardcoretiteln standen schon immer melodische Ausschläge Stimme von Moss.

Das nun veröffentlichte Full-Length Album „Are We All Angels“ (Label) verlagert die rohe Aggression nun in einem vollkommen anderen Genre. Scowl bewegt sich mit ihrer neuen Musik am Rande der Rock-Musik und balanciert irgendwo zwischen dem Riot Grrrl Genre und Punk Rock im Stile der 90er Jahre.

Produziert von Will Yip

Produziert wurde die Band von Will Yip (Turnstile, Title Fight, Code Orange, Balance and Composure), der Scowl neue Genreperspektiven aufzeigte. „Will würde sagen: ‚Alles, was ihr hier habt, ist richtig, aber es ist am falschen Platz'“, sagt Scowls Schlagzeuger Cole Gilbert. Moss und fügt hinzu: „Will hat wirklich geholfen, viel von dem Material umzustrukturieren. Einige Songs hat er auseinandergenommen, um mehr Raum für die wirklich guten Hooks und Refrains zu schaffen.“

Entfremdung, Trauer und Verlust der Kontrolle

„Are We All Angels“ kommt in einen vollkommen neuen Mantel mit überraschend verträumten Pop Hooks, welche in einem vollkommenen Kontrast zur ernsten Thematik steht. In „Are We All Angels“ geht es um Entfremdung Trauer und Verlust der Kontrolle aus weiblicher Perspektive. Moss bringt authentisch und simpel ihre Erfahrungen in der Heavy-Scene zum Ausdruck, die wahrscheinlich ein Großteil der Frauen in dieser Spate der Musikindustrie und drumherum teilen. „Du musst heiß und sexy sein, aber nicht zu sexy, weil das schlampig ist. Du willst stark und talentiert sein, aber zeige dich nicht zu sehr, weil das peinlich und cringe ist. Diese Art von Kontrolle wirft dich ständig hin und her, und das macht mich wütend.“

Singleauskopplungen bereits überzeugen

„Not Hell, Not Heaven“, „Tonight“, „B.A.B.E“ und „Special“ haben bereits den Ton des Albums angegeben. Als Nachfolger von softeren Tracks wie „Psychic Dance Routine“ überzeugen sie ebenso stark mit Moss‘ Gesang, aber auch mit Riffings und Abwechslung in der Songstruktur.

Bei „Not Hell, Not Heaven“ geht es übrigens um die Opfermentalität der eigenen Person:

„Es geht darum, sich als Opfer zu fühlen und ein Opfer zu sein, aber sich nicht mit dem Opfersein identifizieren zu wollen“, erklärt Moss. „Es geht darum, Anmut in der Tatsache zu finden, dass ich meine Kraft habe. Ich lebe in meiner Realität. Du musst mit dem umgehen, womit du umgehst, und das funktioniert nicht für mich.“

Weibliche Hassliebe zur Musikszene

Der erste noch nicht veröffentlichte Song des Albums „Fantasy“ symbolisiert Moss‘ Hassliebe zur Szene. Er klingt fast schon kitschig, aber konnte mich als einziger Song nicht ganz vom Hocker reißen. Erfrischend ist dennoch zu sehen, dass sich an das Konzeptalbum Song für Song mit Bedacht und Gedanken herangetastet wurde.

„Es ist unglaublich herausfordernd, meine Liebe zur Szene zu balancieren, während ich mich in manchen Räumen extrem entfremdet und gehasst fühle. ‚Fantasy‘ handelt davon, dass ich nicht mehr weiß, wie ich mit diesen Menschen in Verbindung treten soll, weil ich mich so hart abgeschottet habe.“

Auch überzeugend: Malachi Greens Riffings

Besonders beeindruckend sind die Riffings von Gitarrist und Gründungsmitglied Malachi Greene. Dessen Instrumentals bieten bei Songs wie „Cellophane“, „Are We All Angels“ und „Haunted“ enormes Abwechslungsreichtum. Hier heißt es nicht nur Basic Punk mit einem Wortchorus und drei Akkorden. Man hört Einflüsse vom klassischen Punk Rock, Skater Punk und Riot Grrrl Punk heraus. Der Track „Suffer the Fool“ lässt einen ganz nostalgisch werden und an die Skater Ära der frühen 00er denken. Wohingegen „Haunted“ und „Are We All Angels“ mit ihren temporeichen Taktwechseln doch noch ein wenig Chaos bereithalten, das einigen Fans bei diesem Album womöglich fehlen könnte.

Are We All Angels

Keine Frage, keine Interpunktion. Titelgebender Track und Outro „Are We All Angels“ gibt auch den letzten Scowl-Fan, was er das ganze Album so vermisst hat: Chaos, Tempo, Geschrei. In diesem Song geht es um das Konzept von „Gut und Böse“ und wie abhängig es von dem eigentlichen Handeln ist. Der Track bietet einen gebührlichen Abschluss, der ein letztes Mal auf den Putz haut.

Fazit

Der neue Sound mag für einige gewöhnungsbedürftig klingen, auch wenn diese Richtung in Anbetracht einiger früherer Ausflüge der Band nicht ganz verwunderlich ist. Insgesamt hat Scowl mit „Are We All Angels“ ein gutes, abwechslungsreiches Konzeptalbum geschaffen. Nur verstecken sich die Wut, der Zorn und die Kampfansage an das System diesmal in den Lyrics und nicht in der Härte der Musik. Mit diesem Ansatz beweist Scowl, dass sie nicht auf dem Level ihrer Anfangstage bleiben wollen, sondern durchaus neugierig und auch fähig sind, sich weiter zu entwickeln.

Und dafür gibt es 10/10 Punkte.

Info
4. April 2025 
13:28 Uhr
Band
Scowl
Genre
Hardcore Punk
Autor/en

 Tascha

Fotocredit/s
Pressefoto
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