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Polaris – „Fatalism“

Normalerweise, besser gesagt unter anderen Umständen, wäre die Veröffentlichung eines neuen Albums von Polaris immer mit großer Freude und einer großen Feier in Verbindung zu bringen. Im Grunde genommen feierte die Metalcore-Welt bereits ihren vorangegangenen Langspieler „The Death Of Me„, der vor 3 Jahren veröffentlicht wurde. Damit spielten sich Polaris in viele Herzen der Core-Liebhaber! Doch als die Australier am 25. Mai 2023 ihr neues Album „Fatalism“ ankündigten, konnte wohl niemand ahnen, wie monumental diese Veröffentlichung werden würde.

Dann kommt der 27. Juni 2023 und die gesamte Metal-Szene wird durch den tragischen und unerwarteten Tod von Polaris‚ legendärem Lead-Gitarristen Ryan Siew im Alter von 26 Jahren in ihren Grundfesten erschüttert. In der gesamten Szene bekannt und beliebt, hinterlässt Ryan eine klaffende und tiefe Lücke. An dieser Stelle möchten wir nochmals unser Beileid für die Familie, Freunde und die Band ausdrücken, auch wenn wir, genau wie der Rest der Szene, dies bereits sehr oft getan haben.

Nun gibt es zwei mögliche Seiten, von denen wir das neue Album „Fatalism“ von den Australiern betrachten können: zum Einen ist es wie eine Tragödie, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um die letzten Stücke handelt, an denen Ryan mitgearbeitet hat und wir nie wieder etwas von ihm komponiertes hören werden. Zum Anderen könnte man es als Vermächtnis eines genialen Songwriters betrachten und als das feiern, was er uns in seinem Leben gegeben hat.

Meines Erachtens lasst uns die Möglichkeit Nummer Zwei in Betracht ziehen und das Werk als ein Vermächtnis für Ryan anzusehen. Lasst uns die emotionale Reise mit Polaris in unserer Review bestreiten!

Tracklist:

01. Harbringer
02. Nightmare
03. Parasites
04. Overflow
05. With Regards
06. Inhumane
07. The Crossfire
08. Dissipate
09. Aftertouch
10. Fault Line
11. All In Vain

Opener mit verspäteter Zündung

Harbringer“ ist der Opener von „Fatalism“ und eindeutig einer der Songs, die genau an der richtigen Stelle des Albums platziert sind. Der Track beginnt sehr atmosphärisch und der Gesang von Bassist Jake Steinhauser hallt über den Synthies. Sofort werden unsere Erwartungen nach oben gepirscht, welche dann von den Drums und Gitarren eingeholt werden. Dann hören wir endlich die ersten Schreie von Jamie Hails und weitere zum Moshpit anzettelnde Gitarrenriffs reihen sich ein. Dieser Opener wird meiner Meinung nach nicht nur das Album eröffnen, sondern hoffentlich auch die nächsten Live-Sausen der Band. Denn dafür ist dieser Track einfach nur perfekt geeignet!

Die Polaris-Metalcore-Hymne

Bei der Überschrift denkt jeder sofort an den Song „The Remedy“ und ich muss ehrlicherweise zugeben, dass das für mich vor diesem Album eindeutig die Metalcore-Hymne von Polaris war. Richtig gelesen, sie war es. Denn mit „Nightmare“ gibt es eine Ablösung an dieser Front (obwohl ich vermutlich in nächster Zeit, bei einigen Nächten darüber zu schlafen mich eventuell nochmal umentscheiden könnte). Der Track erfüllt einfach alle Kriterien, ein richtiger Knaller zu werden: Mitsing-Refrain, süchtig machende Riffs, kraftvoller Gesang, melodischer Aufbau bis zum letzten Refrain mit ein- und ausschwingenden Gitarren und abschließend, eine kraftvoll geschriene Strophe. Perfektion!

Begleitend zu „Nightmare“ gab es ein Musikvideo, welches die Jungs Anfang des Jahres gedreht haben und in denen Ryan zu sehen ist. Die Band teilte den Denkprozess hinter der Veröffentlichung des Filmmaterials, in dem sie mit Ryans Familie zusammenarbeitete, um sein Erbe am Leben zu erhalten, und teilte mit:

We created this video with our friend Ben Wrigley, AKA Third Eye Visuals, who found some amazing locations and imagery to help us convey the track when paired with his brilliant editing skills. This was the second of three music videos we filmed with Ryan earlier this year. It has been a challenging and very emotional task to complete these videos in light of what has happened, but after careful discussion with his family we collectively felt that we wanted to share with the world the final things that Ryan created with us. We will proudly cherish the memories of him contained in this footage, and hope you will too.

„I hope you choke“

Der nachfolgende Track „Parasites“ könnte durchaus einer der härtesten Songs in der Diskografie von Polaris sein. Es geht deutlich „metallischer“ zu (wenn man das in der heutigen Zeit so sagen darf). Wie bereits geschrieben wirkt der ganze Song aggressiver und doch voller Attitüde, denn so habe ich die Australier in der Vergangenheit noch nie zuvor gehört. Möglicherweise schreien die Jungs ihren Frust zum viel zu frühen Tot von Ryan aus ihrem Leib und wollten damit nochmal ein ordentliches Statement zum ersten Teil ihres Albums setzen. Glänzend werden die Arbeiten von Rick Schneider (Gitarre) und Daniel Furnarri (Drums) in den Vordergrund gestellt, denn die sprunghaften Elemente laden uns bei einer Live-Show sicherlich in den nächsten Pit ein.

Weil einfach, einfach gut ist

Bei „Overflow“ wird die Intensität dann wieder etwas heruntergeschraubt. Letztendlich ist dieser Track eine kleine Hommage an beide Sänger der Band, Jake und Jamie. Es ist klar, dass beide ihre Fähigkeiten verbessert haben – Jake mit der Stärke und Power am Ende seines Clean-Bereichs und Jamie mit seinem Clean-Gesang und der Suche nach dem Punkt zwischen Cleans und Screams. Gepaart werden die Vocals mit einer einfachen musikalischen Einleitung, die durch den Refrain explodiert und sich duellierenden Gitarren. „Overflow“ grenzt eher an die melodische Seite des Metalcore, ist aber in den entscheidenden Momenten immer noch kraftvoll, vor allem in diesem mörderischen Breakdown!

Grüße in die höheren Sphären

With Regards“ kommt ebenso wie sein Vorgänger mit wundervollen Gesangseinlagen daher. Doch auch die Screams von Jamie kommen in diesem Song nicht zu kurz. Wir hören die gefühlvollen Texte, die von aufsteigenden Riffs untermalt werden und das langsamere Tempo lässt die Melodie wirklich durch den gesamten Song dringen. Erwähnenswert ist der letzte Refrain, der nicht wie alle anderen in einer höheren Oktave gesungen wurde. Hier treffen Polaris mit ihren Zeilen sofort in eure Emotionen! Holt schon mal die Taschentücher raus…

Djenty-Melodien á la Ryan

Inhumane“ beginnt mit einem knisternden Bass und einsetzenden Becken, bevor uns Jamie mit einem klassischen „Ohhhh!“ von der nächsten Wolke herunterholt. Man merkt einfach, dass dieser Track Feuer und Flamme darstellt für Polaris. Doch das Besondere an diesem Song ist wohl die Gitarrenarbeit von Ryan. Sein Solo geht in die Höhe und man kann garantieren, dass sich jeder Gitarrist in der Szene wünscht, er könnte das genau so hinbekommen. „Inhumane“ ist ein großartiges Beispiel dafür, wie gut Polaris auch Lieder zusammengestellt hat. Ein interessanter Anfang und dann werden wir einfach nur von kraftvollen Vocals und Djenty-Melodien überwältigt. Gang-Vocals im Refrain sorgen dafür, dass das Publikum mit einbezogen wird und ein unglaubliches Gitarrensolo, das von einem Schlagzeug-Gerüst unterstützt wird.

Zum Single Release veröffentlichte die Band ein sehr passendes Statement zum Album, welches ich euch nicht vorenthalten möchte:

„For us, Fatalism is the resignation to the idea that you have no control over certain things, that some things are almost pre-determined and inevitable; which seems like a negative and almost fearful notion. But one of the reasons I was drawn to it as a concept and as an album title was that there’s almost a freedom in that idea too. Once you can accept that there are certain things you simply can’t control – it’s actually very liberating. We want people to feel a sense of connection to something outside of themselves when they hear this album. There’s a certain peace that comes with accepting that there are some things larger than yourself and redirecting that fear.“

Alles neu macht der Herbst

So oder so ähnlich lässt sich der Track „The Crossfire“ am einfachsten zusammenfassen. Es wird super interessant und teilweise hört man Polaris nur durch die Vocals heraus. Die Gitarren klingen vermutlich durch einen eingestellten Effekt ziemlich nach „normalen“ Metal und ich könnte mir vorstellen, meine Kumpels demnächst bei Guitar Hero diesen Song zocken sehen zu können. Abgesehen davon ist es ein Track auf dem Album, welcher uns süchtig machen könnte. Die Melodien und die beiden Gesangsparts prägen sich irgendwie einfach in dein Gehirn ein und bleiben dort für immer. Etwas hört man Parallelen zu Bury Tomorrow heraus, wohl gemerkt dem 2023er Bury Tomorrow.

Blastbeats über Blastbeats

Ihr habt richtig gelesen! Dank ihres Drummers Daniel gibt es solche Blastbeast im Song „Dissipate“ zu hören. Tendenziell ist dieser Song eindeutig für Drummer gemacht worden. Gepaart mit einem wunderbar geloopten Gitarrenriff ist „Dissipate“ eine brillante Demonstration von Daniel´s Schlagzeugspiel. Und seien wir ehrlich: fällt euch auf Anhieb ein Track aus dem Metalcore-Genre ein, wo man weniger auf den Gsang/ das Geschrei achtet, als auf das Drumming? Mir nicht, von daher ist das wohl ein echter Leckerbissen auf „Fatalism„. Ach ja, der Breakdown hat mein Wohnzimmer verwüstet, nur mal so nebenbei!

Ruhige, gelassene Töne

Aftertouch“ ist einer dieser Tracks, der die Einbeziehung von Keys und rhythmischem Schlagzeug im ganzen Gerüst auflockert. Die Klanglandschaft, die die Gitarren erzeugen, verwandelt sich in etwas Stärkeres, je intensiver der Gesang wird. Polaris stellen damit klar, dass sie nicht nur bahnbrechende Songs schreiben können, sondern eben auch hoch berührende und emotionale Songs, die aber immer noch die Essenz ihrer selbst widerspiegelt. Hut ab und in Zukunft gerne mehr von diesen wunderschönen Keys!

Let´s get Emo

Der vorletzte Track „Fault Line“ vereint die energiegeladenen und düsteren Seiten der Band auf makellose Weise und bringt noch einmal einige Emo-Vibes zurück. Besonders hervorzuheben sind in diesem Track die Nuancen, die in den Strophen- und Pre-Refrain-Abschnitten enthalten sind. Durch Gitarreneffekte und Synthesizer wurden einige äußerst interessante Hörerlebnisse hinzugefügt. Im Vergleich zu den meisten anderen Songs auf „Fatalism“ weist „Fault Line“ außerdem einen beständigeren Kompromiss zwischen Cleans und Growls auf, was ihm eine zusätzliche Portion Persönlichkeit und emotionale Resonanz für die ohnehin schon fantastischen Texte verleiht.

Abruptes Ende mit Vorfreude auf die Zukunft

All In Vein“ ist gerade „der“ Album-Closer geworden, weil es so ziemlich jeden Aspekt des Albums abdeckt, aber es nur noch um so mehr auf die Spitze treibt. Die Strophen weisen das verehrungsvollste Riffing des Albums auf, der Refrain ist besonders triumphal, aber auch verzweifelt, der Breakdown ist besonders unheimlich und unvorhersehbar und der Track ist durchgehend von diesen weniger verzerrten, fast progressiven Gitarrenpassagen durchzogen. Doch das Ende wirkt irgendwie total abrupt und so gar nicht passend meiner Meinung nach. Vielleicht ist das aber auch schon ein Fingerzeig für alles, was in den Sternen von Polaris stehen wird!

Fazit:

Fatalism“ ist zweifellos das Opus Magnum der ohnehin schon beeindruckenden Diskographie von Polaris und jedem Mitglied der Band verdient dafür ein großer Applaus. Die Platte dient nicht nur perfekt als gebührender Abschluss mit der Gitarren-/ Schreibarbeit von Ryan Siew, sondern auch als schöner Beginn eines neuen Kapitels.

Natürlich werden die Emotionen, die das Album teilweise überschatten, eine große Rolle bei der Bewertung spielen, jedoch ist es eben auch ein gebührender Abschluss von Ryan´s Karriere und dem künstlerischen Erbe, dass er uns mit all seiner Arbeit hinterlassen hat. Ruhe in Frieden, Ryan, vielen Dank, dass du uns so viele Erinnerungsstücke gibst und so vielen Menschen ein Ventil für ihre Gefühle bietest.

Um nochmal auf das Album zurück zu kommen: ich denke insgesamt hört man den Unterschied zu allem bisher da gewesenen von Polaris, doch unerwartet kommt das ganze nicht. Denn wie wir wissen, sind auch die verbleibenden Künstler in der Band sehr kreativ und unkonventionell im Schreibprozess. Letztendlich hört man im Grunde genommen doch immer die Züge der Australier heraus, bedeutet sie bleiben ihren Wurzeln treu und streuen bloß weitere neue Einflüsse (Keys, Synthies) mit ein.

Rating:

Fatlism“ ist eine spannende Weiterentwicklung und viele dieser Songs werden einen großen Platz in euren Herzen finden! Polaris erhalten dafür die Höchstpunktzahl, 10 von 10 Punkte.

Polaris sind:

Jamie Hails – Vocals
Jake Steinhauser – Bass / Vocals
Rick Schneider – Gitarre
Ryan Siew – Gitarre (R.I.P.)
Daniel Furnarri – Drums

Info
30. August 2023 
13:44 Uhr
Band
Polaris
Genre
Metalcore
Autor/en

 Seb

Fotocredit/s
Third Eye Visuals
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