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Invent Animate – „Heavener“

Inmitten einer Generation, die von Einsamkeit, Angst und verzweifelter Sorge um den Zustand der Welt ergriffen ist, nehmen Invent Animate ihre Fans an die Hand und gehen mit ihnen diesen steinigen Weg.

So geschehen auch auf der diesjährigen Deutschland-Tour mit Erra, wie unten zu sehen eingefangen von unserem Flo.

Die Band – bestehend aus Sänger Marcus Vik, Bassist Caleb Sherradan, Schlagzeuger Trey Celaya und Gitarrist Keaton Goldwire – sieht es als ihre Pflicht an, ihren eigenen Schmerz und ihre Tragödie für ihre Zuhörer zu entblößen und ihnen einen sicheren, vertrauten Ort zu schaffen, an dem sie ihren eigenen Schmerz verarbeiten können. Es ist diese zutiefst empathische und besorgte Herangehensweise an ihr Werk, die Invent Animate von anderen Bands abhebt und die dazu geführt hat, dass die Band in den 10 Jahren ihres Bestehens eine enge, kultähnliche Anhängerschaft aufgebaut hat.

Bassist Caleb beschreibt das Gefühl wie folgt:

„I think what’s really important to our generation of music consumers is finding something beautiful out of all the chaos. It’s important to us – we’ve got a lot on our plate, life is weird, life is hard – but we’ve come to understand how important it is as artists to be there with our listener, to be vulnerable ourselves so they might be able to say, ‘thank you, you guys helped me articulate this’ or, ‘you guys helped me walk through this journey’ because of what we’ve created.“

Invent Animate, die in Texas, Colorado und Schweden (nach der Einstellung von Marcus im Jahr 2019) stationiert sind, befinden sich nun in einer erstklassigen Position, um mit ihrer neuen Labeladresse neue Wege zu beschreiten. Mit ihrer Mischung aus Ambient-Metalcore, Djent und Prog ergänzen die vier Musiker das UNFD-Roster perfekt.

Und so ist es auch nichts Neues mehr, dass das Komma im Mittelteil verschwunden ist und wir am kommenden Freitag, den 17. März 2023 ihr neues Album „Heavener“ auf unsere Ohren bekommen werden. Endlich, so werden einige von euch hechelnd und frohlockend sagen, denn die bereits veröffentlichten Singles haben unheimliche Lust auf den Rest gemacht. Doch was kann die neue LP und wird sie den großen Ansprüchen gerecht? Wir versuchen dieses Geheimnis für euch im Vorfeld zu lüften.

Tracklist:

1. Absence Persistent
2. Shade Astray
3. Labyrinthe
4. Without A Whisper
5. False Meridian
6. Reverie
7. Immolation of Night
8. Purity Weeps
9. Void Surfacing
10. Emberglow
11. Elysium

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Im Eröffnungstrack warten Invent Animate eine kurze Zeit, bis es so richtig los geht. Sie starten das Intro des ersten Songs „Absence Persistent“ mit einem kleinen Ambient, bevor wir dann die zurrenden und djentig-klingenden Gitarren um die Ohren geschmissen bekommen. Zugegebenermaßen wirkt der Song beim ersten Hören noch etwas kompliziert, doch es gibt auch eindeutige Momente der Klarheit. Gerade der Refrain und der Breakdown strahlen dies unheimlich aus.

„Fade with me

Shade Astray“ ist der nachfolgende Song und war eine der ausgiebig im Vorfeld gehypten Veröffentlichungen. Der Track durchläuft innerhalb von fünf Minuten viele Stimmungen, Tempos und Extreme. Es ist eine klangliche Reise, die den Hörer atemlos und begeistert zurücklässt. Es geht um verlorene Liebe und die Schwierigkeit, zu akzeptieren, dass man den Punkt erreicht hat, an dem es kein Zurück mehr gibt. Gerade die gewitterartigen Breaks im Mittelteil lassen mich immer wieder mit dem offenen Mund zurück. So etwas hätte ich gerne live erlebt und kann es hoffentlich noch.

Schlagzeuger Trey fügt zu diesem Song noch hinzu:

„‘Shade Astray’ is a confessional realization that a relationship has run its course. It admits that it fell far from the ideal they had put on a pedestal, leaving both their ego and the relationship shattered when things are broken beyond repair. At this crossroads, the loss you fear the most is exactly what has to happen. Someone stronger than you has to be able to walk away when you are self-sabotaging. And the only wisdom to be gained is the knowledge that you are not the savior. There’s nothing to be salvaged and you must accept failure and let failure be your teacher. It’s a lesson only learned in solitude.“

„Before I fate“

Wenn man nun denkt nach diesem Banger wird es ruhiger, der ist auf der falschen Seite des Bettes aufgewacht. Mit „Labyrinthine“ folgt ein Song, der mit feurigen Riffs und treibenden Drums in den Strophen weiter ordentlich Druck nach Vorne macht. Der Refrain ist einzigartig und so schön gestaltet, dass man denken könnte, der Teil gehöre nicht zum Rest dazu. An dieser Stelle kann man direkt schon begutachten, dass wir auf der neuen LP „Heavener“ die wohl besten Choruse der Band hören darf. Ach und mein Breakdowns á lá Invent Animate wird auch nicht gegeizt.

„Fading out of you“

Auf „Without A Whisper“ wird es dann zu Beginn gewohnt melodisch und atmosphärisch. Marcus kann mit seinem Klargesang eine perfekte Symbiose mit den Gitarren und Synths bilden, die sich einprägsam in unseren Köpfen manifestiert. Oftmals konnte ich den meisten Worten der Fans von Invent Animate nicht glauben, mittlerweile liebe ich die Stimme des schwedischen Gesangstalents auch sehr. Es ergibt sich einfach ein so tolles klangliches Bild, welches einige an Emotionen freispült. Die kleinen Wutausbrüche in diesem Track fügen sich absolut brilliant ein.

„Falling my ember“

Im nachfolgenden Song „False Meridian“ spielt dann Trey kurz vor dem Breakdown gehörig auf, in dem er nicht durch technisches Können glänzen kann, sondern durch stampfendes Geballer, das auf die beste Art und Weise ein wunderbar ungewöhnliches Maß an Chaos erzeugt. Am Ende schreit Marcus nothing is permament“ und wir bekommen das zweite Mal die stampfenden und treibenden Töne von Trey zu hören. Wow, dieses Meisterwerk wird so einiges ins Staunen versetzen, da bin ich mir sicher!

Lo-Fi Animate?

Ja, ihr habt richtig gelesen. Auf „Reverie“ zeigen sich Invent Animate mal von einer ganz anderen Seite. Und zu diesem Zeitpunkt ein verdammt genialer Schachzug von Marcus und Konsorten. Ein wenig Vielfalt gefällig? Dann hier besonders gut zu hören. Die Gesangsmelodien und die Cleans in diesem Stück sind wirklich wunderschön und zeigen, wie weit man mit ein wenig Zurückhaltung gehen kann und sollte.

„I am enough“

Was folgt ist mein absolutes Highlight des Albums! „Immolation of Night“ ist zwar eine der vorab veröffentlichten Singles, doch sowohl der Track selbst, als auch das Musikvideo dazu reißen mich bei jedem Hören wieder in einen Bann. Der Song bietet stadiongroße, fundamentale Breakdowns mit einem Twist! Und das Video zeigt den Protagonisten in beunruhigender Bedrängnis, während die Band in einem unheimlich monochromen Ensemble eine bahnbrechende Performance abliefert.

Trey kommentierte „Immolation of Night“ wie folgt:

While searching for inspiration to write this song, I had grown tired of recounting past trauma and things that have hurt me and still affect me. t was making me feel powerless, and I wanted to take that power back and approach from a different angle. This song was born of a realization that all of my suffering has actually made me incredibly resilient and grounded, and I am not the weak person that I sometimes feel that I am. In reality, I have a certain confidence in life that I wouldn’t have if not for my losses and failures. They’ve given me a lot of good characteristics and shaped me into who I am today, and it’s a person I’m proud of.”

Schön, schöner – Invent Animate

Einfach gesagt, doch gar nicht so leicht gemacht. „Purity Weeps“ kommt mit düsteren, oft mit Hall und Effekten durchtränkten Gitarrenpassagen daher und bietet abermals einen wunderschön klingenden Refrain. In solchen Momenten kommt es mir wirklich so vor, als könnte die Band mir alles erzählen und ich würde es anstandslos glauben. Es wurde so viel Sorgfalt in Dinge gesteckt, die man normalerweise nur als kleine Nuancen wahrnehmen würde, und das zahlt sich in einem ungeheuerlichen Maße aus. An dieser Stelle macht es aufgrund der eben genannten Punkte Sinn einen Blick auf die Produktion zu werfen, denn niemand geringerer als Landon Tewers (The Plot In You) war dafür zuständig. Zudem gilt mein Respekt dem Mixer Dan Braunstein, der die perfekte Balance zwischen dem Wuchtigen und dem Ätherischen gefunden hat.

„Go back to the garden“

Das markante Tapping und die von Harmonien geleitete Gitarrenarbeit in „Void Surfacing“ werden wohl nicht nur mir ein paar glitzernde Augen bereiten. Das zweite Highlight aus meiner Sicht! Es gibt keinen Mangel an technischer Perfektion, die selbst die nerdigsten Gitarristen und Schlagzeuger zufriedenstellen würde. Was Invent Animate jedoch von anderen Bands dieser Art abhebt, ist ihre Fähigkeit, technische Abschnitte zu schreiben, die sich nicht langweilig anfühlen, sondern die dringende, hektische Natur der Songs nur noch verstärken und intensivieren.

Das oft aggressiv oder wütend wirkende „Emberglow“ verdient ein kleines Sonderlob von mir. Warum? Ganz einfach – trotz der über die Instrumental transportierten Aggressionen, kommt bei mir diese nicht an. Stattdessen ist er einer der großartigeren und eleganteren Tracks, besonders was den Gesang angeht.

„But I still feel your ghost“

Den Abschluss macht der Song „Elysium„, welchen wir bereits im Vorfeld erleben durften. Der Track durchläuft mehrere Modi und Schichten. Er schwankt zwischen komplizierten, langsamen und geradezu hübschen Klangpassagen, bevor er mit brutalen Riffs und alptraumhaften Vocals ausbricht. Es geht Schlag auf Schlag und lädt ein, sich auf einen klanglichen Thrill-Ride einzulassen. Textlich taucht der Song tief in die Materie ein, mit der wir uns alle identifizieren können – Trauer.

Sänger Marcus nutzte seine eigene Trauerbewältigung und schenkte uns daher diesen Song:

When my grandfather got sick, I was a 15-year-old boy with no emotional grip on my world. We were close, but his sickness was something I didn’t see. It might’ve been because I didn’t want to see it or that I was too scared. When he passed, I didn’t comprehend the mourning, I didn’t feel it, and that made me feel shame. It took me 12 years to wake up one day and embrace it, and it hit me like a wave of odd emotions that I’ve never felt before. Grief is upon me and this is the story of me looking back, searching my inner self and looking forward.”

Fazit:

Heavener“ ist wohl möglich das Album, auf das Invent Animate immer hingearbeitet haben. Zumindest kommt es einem beim Hören so vor. Das Wichtigste, was nach der instrumentalen und gesangstechnischen Einlage kommt, ist das Herz und davon hat „Heavener“ nicht nur eins. Was man noch erwähnen sollte: es ist mit Sicherheit kein besonders einfaches Album, das man sich mal so zwischendurch anhören kann. Und es ist auch keines, das extrem leicht verdaulich ist, aber es ist eines, das den Hörer in Bereichen belohnt, die weit darüber hinausgehen, einfach ein großartiges Metalcore-Album zu sein. In jeden Lied stecken eine Tonne voller Emotionen und es fühlt sich förmlich so an, als hätte man die schlagenden Herzen der Bandmitglieder versammelt in seiner Hand.

Rating:

Mein Herz schlägt für „Heavener“ und Invent Animate, mehr denn je zuvor! Von daher bleibt mir nichts anderes als 10 von 10 Punkten zu vergeben! Wenn eine Band die Chance zum Ausbrechen aus der Nische in die großen Hallen verdient hat, dann sind es Invent Animate!

Info
13. März 2023 
21:54 Uhr
Band
Invent Animate
Genre
Metalcore Progressive Metalcore
Autor/en

 Seb

Fotocredit/s
Pressefoto
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