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Slipknot – „The End, So Far“

Wir schreiben das Jahr 1996 und ein paar junge Männer verkleiden sich mit Masken. Nein, es war nicht Halloween und nein, es ging nicht um „süßes oder saures“. Eine Band namens Slipknot aus Iowa möchte mit ihrer Art Musik zu machen gerne Geschichte schreiben. Seit ihrer Gründung in den späten 1990er Jahren, vom ersten Aufsehen, das sie in der Metalszene erregten, bis hin zu diversen Besetzungswechseln und musikalischen Entwicklungen, gab es praktisch keine Zeit, in der die neunköpfige Gruppe nicht unter enormem Druck gestanden hätte, sich immer wieder aufs Neue beweisen zu müssen.

Mit ihrem letzten Album „We Are Not Your Kind“ aus dem Jahr 2019, welches als triumphales Meisterwerk im Angesicht der anhaltenden Herausforderungen innerhalb von Slipknot gefeiert wurde, trieben die Maskenmänner um Corey Taylor zuletzt ihr Unwesen. Wobei, wäre das böse „C“-Wort nicht gewesen, so hätten wir die Jungs das ein oder andere Mal öfters zu Gesicht bekommen.

Doch wie so oft in letzter Zeit trug die Pandemie auch bei Slipknot dazu bei, dass man sich wieder in ein Studio einschloss, um neue Musik zu produzieren. Kann die Band ihre Reise nach ihrer letzten LP fortsetzen oder gar zu den Wurzeln zurückkehren? Genau diese Fragen wollen wir euch mit unserer Review zur neuen Scheibe „The End, So Far“ gerne beantworten.

Tracklist:

  1. Adderall
  2. The Dying Song (Time to Sing)
  3. The Chapeltown Rag
  4. Yen
  5. Hivemind
  6. Warranty
  7. Medicine for the Dead
  8. Acidic
  9. Heirloom
  10. H377
  11. De Sade
  12. Finale

Der Beginn vom Ende

Adderall„, der Eröffnungstrack des Albums, beginnt mit einer düsteren Klanglandschaft, die fast an Kirchenorgeln erinnert. Der Song behält während seiner fast sechsminütigen Länge einen langsamen, gleichmäßigen Rhythmus bei, wobei Corey Taylors Klargesang und Alessandro Venturellas Bassgitarre das Stück durchgängig tragen. Der Song spielt sich fast wie eine Broadway-Musical-Nummer ab, doch warte, bedeutet das Slipknot gehen nun völlig andere Wege?

Mit Bedacht antworten die Jungs, obwohl einige von euch wahrscheinlich nach dem ersten Track bereits mit den Schultern zucken werden, nein!!! Was folgt ist eine der Vorab-Veröffentlichungen „The Dying Song (Time to Sing)„. Der Song tritt in traditionellerem Gewand auf bietet einen schnellen Refrain und die rhythmische Vertrautheit von „(sic)„.

Die Abrechnung mit den sozialen Medien

Slipknot wären nicht Slipknot, wenn sie nicht auch mindestens einen Track auf dem Album haben, in dem es um die Abgründe der Menschheit geht. In diesem Sinne releasten sie mit „The Chapeltown Rag“ eine Auseinandersetzung mit den sozialen Medien, den aktuellen Medien und dem englischen Serienvergewaltiger und -mörder Peter Sutcliffe (auch bekannt als „The Yorkshire Ripper„). Vor allen die schnellen Blastbeats und die Speaking Words in Verbindung mit den Turntable-Mixes liefern eine kleine Hommage an frühere Zeiten.

„Vermillion“-Vibes

Yen“ ist für dieses Album das, was „Vermilion“ für „Vol. 3: (The Subliminal Verses)“ von 2003 war. Fast fünf Minuten düster-atmosphärischer Metal mit tiefschürfenden Texten. Wir bekommen einen absoluten Killer-Refrain von Corey Taylor geliefert, dazu noch weitere klassischer Turntable-Action von Sid Wilson. Doch wohl am ehesten bleiben uns die am Ende eingespielten Klaviertöne im Kopf. Wie geil wäre dieser Move, wenn die Jungs aus Iowa das auf einer Tour spielen würden.

Vom experimentellen Intro über wütende Blastbeats bis hin zum melodischen Refrain hat der Nachfolger „Hivemind“ alles zu bieten. Wir sind uns fast schon sicher, dass dieser Song ein fester Bestandteil der Setlist der Band auf den Tourneen zu diesem Album sein wird. Denn der Track bietet sowohl eine Menge Aggression, um die Menge in Bewegung zu bringen, als auch melodische Elemente zum Mitsingen.

“Isn’t this what you came here for?”

Warranty“ ist ein garantierter Headbanger als eines der brutalsten Stücke der Platte. Mit der Textzeile von oben begrüßt uns Corey Taylor in diesem durchaus zermürbenden Track. Besonders gut gefallen uns abermals der Einsatz der chorartigen Hintergrundbegleitung. Etwas, was Slipknot auf jeden Fall in ihrerm Repertoire aufnehmen sollten und auch getan haben.

Medicine for the Dead“ hat ein langes Intro, bevor es in Coreys vollem Growl und einigen heruntergestimmten schweren Riffs ausbricht. Es ist der traditionell langsamere Song in der Mitte des Albums, und musikalisch ist viel los, wobei alle neun Mitglieder auf verschiedenen Ebenen ihren Beitrag leisten. P.S.: mit Kopfhörern auf den Ohren ist dieser Track wohl das heimliche Highlight der Platte.

Acidic“ macht seinem Namen alle Ehre, mit einigen wahrhaft abgedrehten Klangexperimenten und Corey Taylors Gesang, der zwischen verschiedenen Nuancen von Schwermut schwankt. Der Song gipfelt in einem dezenten, aber interessanten bluesigen Outro und trägt so die doomigen Vibes, die die Maskenmänner damit wohl transferieren wollten.

Refrain mit Ohrwurmcharakter beim ersten Hören

Heirloom“ ist zweifelsohne einer der eingängigsten Songs des Albums, und das nicht nur wegen seiner kompakten Länge von dreieinhalb Minuten. Corey Taylor stellt in der Strophe die raue Klangfarbe seiner Stimme zur Geltung, und der Refrain ist ein Ohrwurm, der schon beim ersten Hören hängen bleibt. Erinnerungen an „All Hope Is Gone“ oder auch „5: The Grey Chapter“ werden dank dieses Tracks geweckt.

„Die Mischung machts“…

… so oder so ähnlich könnten Slipknot die Reihenfolge der Songs auf dem Album zusammen gewürfelt haben. „H377“ nimmt die Härte wieder auf, mit einem glühenden Growl/Rap und einer Reihe harter Riffs, die gleichermaßen knallen und grooven.

V-Man darf sich bei „De Sade“ auch mal in den Vordergrund drängen, einem weiteren stimmungsvollen Titel, der im Intro ein wenig Progressive-Feeling hat. Es handelt sich gerade bei den ersten Klängen von Coreys Stimme um ein arena-taugliches Lied, das mit einer großen Lichtanlage zum Leben erweckt könnte. Es macht einfach eine Menge Spaß Slipknot bei solchen groovigen Stücken auf ihrem Weg zum Olymp zu begleiten.

„Finale“

Der betreffend betitelte Album-Closer besticht mit seinem bassbetonten Intro, welches von Streichern und sanfter Orchestrierung umrahmt wird. Durch das Hinzufügen von dominantem, Nightwish-eskem Chorgesang könnte dieser auffallend melodische Höhepunkt für einige Maggots durchaus zu viel sein, aber der sensationelle „I know it’s a shame but I gotta stay because I like it here„-Refrain zeigt, dass sich Slipknot einen s.g. Dreck über diese Meinung scheren.

Fazit:

The End, So Far“ ist ein Beweis für die anhaltende Kompetenz einer Band, die schon sehr oft an den Pranger gestellt worden war und zuletzt etwas Häme für ihre letze LP einstecken musste. Doch hält das Slipknot davon ab ihr Ding zu machen? Natürlich nicht! Klar ist aber auch, dass die Jungs musikalisch mit dem neuen Album kein Neuland betreten. Was wir durchweg aber überhaupt nicht schlimm finden, sondern eher spannend und erfrischend. Alles in allem ist „The End, So Far“ konfrontativ, unbeständig und polarisierend wie eh und je und könnte durchaus das umstrittenste Album in der gesamten Karriere von Slipknot sein, aber es könnte auch eins ihrer besten werden. Macht euch selbst ein Bild und greift beim Kauf zu! Denn die Maskenmänner haben sich dieses Mal etwas besonderes einfallen lassen: ihr könnt von jedem eurer Lieblinge eine ganz besondere Fassung des Album-Covers kaufen.

Rating:

Wir geben euch den Rat, Slipknot mit offenen Armen zu empfangen, denn dann werdet ihr mit Sicherheit nicht enttäuscht werden. Solide 9 von 10 Punkte dürfen wir an die Maden aus Iowa verteilen, in weiser Voraussicht, dass wir hier nicht das letzte Album der Jungs in den Händen halten durften.

Slipknot sind:

Corey Taylor – Vocalist
Mick Thomson – Gitarre
Jim Root – Gitarre
Shawn “Clown” Crahan – individuelle Drums, Backing-Vocals
Michael Pfaff – individuelle Drums, Backing-Vocals
Sid Wilson – Turntables, Keyboards
Craig “133” Jones – Samples, Keyboards
Alessandro “V-Man” Venturella – Bass, Piano
Jay Weinberg – Drums

Info
27. September 2022 
12:51 Uhr
Band
Slipknot
Genre
Nu-Metal
Autor/en

 Seb

Fotocredit/s
Pressefoto
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