Interview

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Interview mit Dan Maines von Clutch

Bis vor kurzer Zeit waren die Stoner Rock Urgesteine Clutch noch auf Tour, um ihr neuestes, knackiges Album Sunrise on Slaughter Beach zu promoten.

Seit 1991 sind die vier Musiker, die sich bereits seit High-School Zeiten kennen, unter dem Bandnamen Clutch aktiv und liefern so gut wie jedes Jahr neuen Stoff! Bekannt ist Clutch vor allem für ihre Oldschool-Blues-Note, die sich über die Jahre markant herauskristallisiert hat. Ebenfalls berühmt berüchtigt ist das Storytelling des Sängers Neil Fallon, dessen Lyrics ausgefallene, fiktive Geschichten erzählen

Doch diesmal brachten die Musiker auch musikalische Innovationen mit in ihr neuesten Album, von denen uns Clutchs Bassist Dan Maines im Interview erzählt.

Der ruhige, gelassene Dan berichtet uns nicht nur über das neueste Album, er teilt mit uns die Banderfahrungen, Songwritingprozesse, und wie ihre gerade erst jüngste Tour abgelaufen ist.

Viel Spaß beim Interview!

In 2022 wieder zurück zum Touralltag!

Tascha: Wie hat euch die Tour bisher gefallen? 

Dan: Es ist fantastisch, großartig. Wir haben viele Länder bisher besucht. Inzwischen sind wir vier Wochen unterwegs und wir haben, ich glaube, noch neun Shows übrig. Also gelangen wir so langsam zum Ende. Aber ja, es war großartig!
Wir haben zwei Supportbands Green Lung und Tigercub. Beide sind englische Bands. Am Anfang des Jahres sind wir mit Tigercub schon einmal  in den Staaten getoured. Mit Green Lung haben wir vorher noch keine Show gemacht, aber die Leute werden es mögen!

Was war in dieser Tour der beste Ort in Deutschland zu spielen?

Deutschland war für Shows stets ein tolles Land. Wir kamen hier das erste Mal 1992. Es war unsere erste Europatour. Wir haben für Biohazard eröffnet und für einen Monat tatsächlich einen Bus mit ihnen geteilt. Sie haben uns alle quer durch Europa mitgenommen. Den Großteil der Tour haben wir in Deutschland verbracht. Letzte Nacht spielten wir in Stuttgart im Longhorn, wo wir 1992 schon mit Biohazard auftraten. Und letzte Nacht war einfach ein fantastischer Auftritt!

Ihr seid ja jetzt schon eine Weile im Showbusiness. Haben sich die Leute über die Jahre verändert?

Ich bin mir nicht sicher, wie viele Leute aus dieser Zeit noch präsent sind. Wir sehen das aber definitiv in unseren Crowds, je länger wir dabei sind. Weißt du, wir machen das seit 1991, also sind wir keine Jungspunde mehr. Es ist großartig, rauszugehen und Leute im Publikum zu sehen, die zwischen 14 und 15 und in unserem Alter sind. Ich denke, insbesondere das Touren hier mit Bands wie Motörhead und Thin Lizzy haben uns irgendwie die Türen zu einem Publikum geöffnet, das eigentlich älter als wir ist. Leute, die damit groß geworden sind, auf Konzerte von Bands zu gehen, die wir als musikalischen Einfluss genutzt haben, als wir angefangen haben. Auf diese Weise wurden wir unserem älteren Publikum vorgestellt. Wohingegen die jüngeren Leute auf uns durch Spotify und so weiter gestoßen sind. Es ist einfach toll, so eine große Spannbreite bei unserer Crowd zu haben. Ein tolles Gefühl, dass man für mehrere Generationen an Musikfans ansprechend ist.

Was war bisher die beste Show?

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das bisher beantworten kann, welche die beste Show war, aber wir haben gestern darüber gesprochen. Unser Tontechniker Ted. Er ist in unserem Team seit Anfang 2019 und es hat mich etwas überrascht, als wir in die Venue kamen und er gesagt hat, dass er noch nie zuvor hier war. Wir haben dort so viele Male gespielt und es hat mich kurz an den Fakt erinnert, dass wir eineinhalb Jahre keine Show gespielt haben. Und jetzt, da alles wieder zum Leben erwacht ist, nutzen wir die verpassten Chancen der letzten zwei Jahre und versuchen sie in ein Jahr zu packen. Wir haben dieses Jahr mehr getourt, als jemals zuvor und wir touren VIEL. Also ja, es war irgendwie überraschend, das von ihm zu hören. Dadurch habe ich realisiert, wie lang es her ist, nicht nur für uns als Musiker auf Tour, sondern auch für Leute, die auf Shows gehen. Da ist definitiv eine große Menge an Leuten, die selbst, nachdem alles wieder angefangen hatte aufzumachen und Shows wieder zurück in die Städte kamen, sich nicht wohl gefühlt hatten, auszugehen und zurück in einen Raum von 500 Leuten zu kommen. Ja, es braucht auch eine lange Zeit für Leute, zurück in diese Komfortzone zu kommen und ich denke, dass diese Tour die Kombination der vorangegangenen Spannung aller ist. 

In jedem Album von Clutch wiederkehrende Themen

Lass uns über das neue Album reden. Ist Sunrise on Slaughter Beach ein Konzeptalbum oder erzählen die Songs unabhängige Kurzgeschichten?

Ich denke nicht, dass Neil unbedingt mit dem Gedanken an die Sache rangegangen ist, dass er ein Konzeptalbum machen will. Ich denke, am Ende hast du definitiv diesen roten Faden, der sich durch mehrere Songs zieht. Aber ich bin nicht sicher, ob er das unbedingt als Konzeptalbum sieht. 

Was denkst du persönlich über das neue Album, Dan?

Wahrscheinlich kannst du das über jedes unserer Alben sagen. Das selftitled Album hat von Song zu Song immer wieder auftauchende Themen. Das zweite Album, das Leute das „Weltraum-Album“ nennen, hat eine Menge Songs, die Weltraum-Bezüge in den Lyrics haben. Oder unterschiedliche Referenzen zu Verschwörungstheorien. Aber ich würde das Album nicht ein Konzeptalbum nennen. Das ist etwas, das du in jedem unserer Alben finden kannst, dass zwei, drei Songs gemeinsame Themen haben. 

Also ist Weltraum beziehungsweise Sci-Fi ein großes Thema?

Ich denke, Neil ist definitiv ein großer Sci-Fi-Fan. Auf unserem neuen Album sind eine Menge Referenzen zu Blade Runner. Er hat immer davon gesprochen, ein großer Fan von Philipp K. Dick zu sein. Science Fiction im Allgemeinen war bei Clutch schon immer ein großer Einfluss. 

Hast Du auch Philipp K. Dicks Roman gelesen? 

Nein, Neil ist definitiv der Leser unserer Gruppe, aber wir kennen alle den Blade Runner Film, der auf dem Buch basiert. Wir haben ein Video zu Boss Metal Zone gemacht, das eine Menge visueller Hinweise von Blade Runner darstellt. Wenn du den Film kennst, macht es definitiv mehr Sinn. 

Ich habe gelesen, dass Slaughter Beach von einem langen Spaziergang entlang des Delaware Bay handelt, wo seltsame Dinge passiert sein sollen. Kannst du mir etwas über die Songinspiration erzählen?

Wenn wir uns das Video zu Slaughter Beach anschauen, haben wir das Pfeilschwanzkrebs-Bild. Da gibt es eine Szene, in der eine Pfeilschwanzkrebs-Göttin diese Schläuche mit blauer Flüssigkeit hat. Das ist eine Referenz zu dem Blut von Pfeilschwanzkrebsen, deren Blut blau ist. Und ihr Blut, nicht so sehr heutzutage, aber bis vor fünf Jahren wurde es vorbeugend in medizinischen Kreisen verwendet. Es war etwas, das geerntet und in Labor Einrichtungen für solche Sachen wie Impfstoffentwicklung verwendet wurde. Da gibt es eine Qualität in ihrem Blut, die die Medizin dazu gebracht hat, diese Krebse aus dem Meer zu fischen. Sie haben sie dann in Labore gebracht, um ihr Blut zu entnehmen, nicht genug, um sie umzubringen, aber genug, um sie zu schwächen. Sie haben sie am Leben und zurück ins Meer geworfen. Das ist ein interessanter Aspekt in unserem Song. 

Neue Musikalische Elemente: „Du musst einfach die Entscheidung treffen, was am besten zu dem Song passt.“

Sunrise on Slaughter Beach hat musikalische Elemente in das Album gebracht, die nie zuvor bei Clutch gehört wurden. Erzähl mir ein bisschen darüber.

Da gibt es einige musikalische Elemente, die wir nie zuvor gemacht haben. Das außergewöhnlichste Instrument ist wahrscheinlich das Theremin. Kennst du das Theremin? Wie es aussieht? Wie es funktioniert? Es ist wirklich seltsam. Du montierst es zu einem Ständer und es ist ein Holzblock mit zwei Eisenstäben, eins ist vertikal, eins ist horizontal und es kreiert einen Ton und du kontrollierst das Volumen mit der einen Hand und die andere kontrolliert die Tonhöhe. Es ist wirklich seltsam anzusehen, weil die Person nicht das Instrument berührt.
Wir waren im Studio und wir waren bei dem Song Skeleton on Mars und der Producer Tom Dalgety hat vorgeschlagen, ein Theremin zu nutzen, weil der Song ihn lyrisch an die sechziger Jahre Sci-Fi-Ära erinnert hat. Außerdem gehört das Studio in Baltimore, in dem wir recorded haben, auch einem anderen Musiker namens J. Robbins. Er ist ein verdammt guter Thereminspieler, also hat er es auf dem Song gespielt. Nach den Aufnahmen war klar, dass wir versuchen sollten, das Theremin ins Liveset zu bringen.
Beim Recorden kommen oft die Fragen auf: Wird das ein markantes Kennzeichen des Songs? Können wir es live wiedergeben? Weißt du, wir waren immer von der Idee, Backupsänger zu engagieren, fasziniert. Aber dann heißt es: Was wirst du auf der Bühne tun? Wirst du die Idee, Leute nur für selektierte Lieder auf Tour zu bringen, umsetzen? Du musst einfach die Entscheidung treffen, die am besten zu dem Song passt. Alles andere kannst du später herausfinden. Also hatten wir diese zwei weiblichen Backupsängerinnen auf fast dem halben Album, was großartig ist, ich liebe es!
Und manchmal haben wir auch Keyboards auf unseren Songs. Wir können diese Songs spielen ohne Keyboard oder wir haben Freunde, die das tun. Wir neigen weniger dazu, uns Sorgen zu machen, was wir live replizieren können und was nicht. Und wenn die Songs von den zusätzlichen Instrumenten profitieren, tun wir es einfach. 

Seit 1989…

Ihr habt damals eher Hardcore gemacht…

Das war damals 1991. Wir haben schon vorher zusammen gespielt, nicht als Clutch, aber wir machen gemeinsam Musik seit 1989. Es war nicht so, dass wir Shows gespielt hätten. Wir trafen uns lediglich in Jean-Pauls Garage und haben Songs geschrieben. Einer von uns hatte einen 4-Track-Rekorder und damit haben wir aufgenommen. Aber ja, wir waren definitiv von Hardcorebands inspiriert. Bad Brains waren offensichtlich ein großer Einfluss für uns. Das war einer der ersten Konzerte, die ich besucht habe und einer der ersten Bands, die ich religiös gehört habe. Aber ja, Hardcoreshows waren am einfachsten zugänglich für eine neue Band. Wir haben auch zur selben Zeit Metal gehört, aber es war einfacher für uns in Hardcore als Metal reinzukommen. Diese Szene war definitiv ein großer Teil unserer früheren Zeit. Allein in Washington, D.C. aufzuwachsen, die Stadt selbst hat einfach eine sehr starke Punk- und Hardcoregeschichte, die als Band in dieser Ära schwer zu vermeiden war. 

Wie Clutch wirklich arbeitet!

Ich habe jetzt eine Menge über Lyrics gefragt. Kannst du mir ein bisschen über den Prozess euer Instrumentals erzählen? Wie arbeitet Clutch, wenn ihr einen Song schreibt?  

Das ist individuell. Wir schreiben immer. Normalerweise sind es lediglich Fragmente und dann treffen wir uns und jemand hat ein Riff, das wir spielen und darauf bauen wir auf. Es ist selten, dass jemand einfach mit zwei oder drei fertigen Parts kommt. Meistens beginnt ein Song mit einer einzigen Idee und wir probieren uns aus und wir versuchen über andere Ideen nachzudenken, die zu dieser passen und dann nehmen wir alles auf. Am Ende des Tages setzt sich Jean-Paul hin und sendet eine Email an alle. Wir hören alles dann nochmal an und schauen, ob da irgendetwas ist, das alle catched. Wenn wir uns dann nochmal zusammensetzen, arbeiten wir daran weiter. Meistens fängt es mit einer musikalischen Grundlage an. Ich weiß, dass Neil meistens mit den Lyrics heraussticht, aber ich höre nichts Lyrisches bis die Musik zum Großteil ein kompletter Song ist. Er geht dann heim, und einen oder zwei Tage später schickt er eine Email und sagt: “Hey Jungs, das ist, woran ich dabei denke”. Ich denke, er mag, dass der Klang des Songs die musikalische Richtung inspiriert, die er einschlägt. 

Hast du zuerst die Melodie im Kopf oder bestimmte Themen wie zum Beispiel “Weltraum”?

Es kann eine sehr vage Idee sein. Es kann etwas sein, das so simpel wie eine Taktart ist, die wir normalerweise nicht benutzen. Manchmal nehmen wir unsere Instrumente und wir fangen einfach an zu spielen, ohne eine wirkliche Richtung und fünf Minuten später sind wir von etwas angetan und so lange wie wir weitermachen, solange nehmen wir die Ideen auf. Dann ist es einfach, zurückzukommen und es zu hören und zu sagen: Das ist super, das ist nicht so gut, wie wir uns erinnern. Es ist definitiv eine gemeinsame Anstrengung zwischen uns allen. Manchmal kommt etwas schnell, manchmal fängst du einfach an zu spielen und eine Stunde später haben wir etwas, das sich wie ein kompletter Song anfühlt. Andere Male, gelangt man an seine Grenzen und muss einfach aufhören und etwas komplett anderes machen. Es ist keine exakte Wissenschaft, jeder Song ist anders. Zum Großteil ist es diese musikalische Grundlage schaffen und Neil nimmt es dann nach Hause und macht sein Ding. 

Gibt es einen spezifischen Song, der typisch Dan ist?

Das Wundervolle an dieser Arbeitsweise ist, wenn du einmal anfängst es zu spielen, dann hörst du, was die Anderen am Ende tun. Dabei sind die Chancen hoch, dass es zu etwas völlig Neuem verschmilzt. Zwar kann es als eine Idee beginnen, die von mir stammt, aber es gibt keine Garantie, dass diese Idee so bleibt. Selbst wenn du sagen kannst, wer was geschrieben hat, ist es vielleicht nicht genau das, was wir uns als erstes vorgestellt haben. Seven Jam ist ein gutes Beispiel, wie ich den Bass genommen und einfach ein Riff aus dem Kopf gespielt habe und dann ist Jean-Paul mit den Drums eingestiegen. Als er angefangen hat, ist mir schnell aufgefallen, dass das, was ich da spiele, nicht zu seinem Schlagzeug passt. Daraufhin habe ich es geändert, um mich dem Beat anzupassen. Du hörst eben nicht unbedingt Dinge auf die gleiche Art, bis alle gemeinsam spielen. 

Über ikonischen, wechselnden Setlists von Clutch!

Einige Bands haben die gleiche Setlist für eine gesamte Tour. Euer Liveset variiert hingegen sehr oft. Was ist die Motivation dahinter? 

Tja, wenn du so viele Shows wie wir spielst und die gleiche Setlist jede Nacht wiederholst, ist es sehr einfach, dem, was du tust, keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken. Deine Gedanken schweifen ab und plötzlich kannst du dich nicht einmal mehr erinnern, welchen Song du spielst. Die Setlist zu verändern ist einfach eine Art, um Dinge frisch zu halten und selbst im Set involviert zu sein. An diesem Punkt haben wir so viele Alben, dass all diese Songs gar nicht mehr in das Programm passen. Also ja, wir haben vor vielen Jahren damit angefangen und es hält es spannend für uns selbst, was wiederum auch auf die Show abfärbt. 

Danke Dan, für dieses tolle und zeitintensive Interview über Clutch!

Info
28. Dezember 2022 
21:34 Uhr
Band
Clutch
Genre
Bluesrock Stoner Rock
Autor/en

 Tascha

Fotocredit/s
Pressefoto
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