Interview

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I Prevail’s Gitarrist Steve Menoian im Interview

Kurz vor I Prevails Albumrelease „True Power“ hatte das Riot-Team die Ehre mit dem Gitarristen Steve Menoian zu quatschen. Dieser ist seit 2013 ein festes Mitglied der Post-Hardcore Band aus Rochester Hills. Uns hat vor allem interessiert, wie der Werdegang von ein paar Jungs in regulären Jobs zu Größen der Coreszene mit Millionen von Hörern aussieht. Was hat sich geändert, welche Erfahrungen wurden auf der Bühne und auch beim Recording gesammelt? Natürlich steht ihr neuestes Werk „True Power“ im Fokus, dabei spielt ihr Vorgänger „Trauma“ eine wichtige Rolle.

Was das Alles bedeutet erfahrt ihr im Interview. Viel Spaß beim Lesen!

True Power als Trauma’s andere Perspektive

Riot: Euer kommendes Album wird ja diesen Freitag veröffentlicht. Darin scheint ihr von einer anderen Perspektive auf die Konflikte, welche ihr im Vorgänger „Trauma“ verarbeitet habt, zu sehen. Ihr habt das Ganze als das Einläuten einer neuen Phase bezeichnet. Was bedeutet diese neue Phase?

Steve: Ich denke, dass hinter diesem Album eine andere Energie steckt. Trauma entspringt einem eher dunkleren Ursprung als wir dieses geschrieben haben. In dieser Periode unseres Lebens haben wir Dinge durchgemacht, auf die „True Power“ eine Antwort im Sinne von: „Rutsch nicht da rein, wir schaffen uns selbst da raus!“. Wir haben die Kreativität aufgebaut die wir bereits in „Trauma“ umsetzen konnten, aber „True Power“ erscheint wie eine viel selbstbewusstere Platte mit viel mehr Rock’n’Roll Vibes und hoher Energie. Also ja, es fühlt sich wie die nächste Entwicklungsstufe an, wo wir die Band haben wollen, die sich aus dem „Trauma“ geschafft hat.

Lass uns über das Album als Ganzes reden. Folgt das Album einem Konzept oder steht jeder Song für sich selbst?

Es gibt definitiv wiederkehrende Themen und einige Zusammenhänge zwischen den Songs, aber wir sind sehr vorsichtig, was wir damit genau meinen. Diese Verknüpfungen können sehr cool sein, aber sie tendieren zu einem Risiko, das zu viel und zu selbstgefällig wirkt und langsam die Verbindung zu deiner Band und deinen Hörern mindert. Du steckst irgendwie in deiner eigenen Blase und du versuchst zu abhängig und konzeptionell zu wachsen. Da gibt es Dinge, die natürlich cool sind, aber der Vibe, nach dem wir streben ist, dass wir die richtige Balance dazwischen finden. Wenn du also nach Verknüpfungen suchen willst, sind sie auch da. Das sind beispielsweise Easter Eggs für Fans und einiges mehr. Trotzdem steht jeder Song insgesamt für sich selbst. Sie haben ihre eigene Energie, ihren eigenen Vibe, den sie der Platte hinzufügen. Erst dadurch haben wir solch ein großes Soundspektrum kreiert. Weißt du, es ist ein krasses Auf und Ab durch unsere Alben, weil wir eine Menge softes und melodisches, aber auch im Gegensatz dazu sehr heavy Zeug machen. Und wir versuchen einfach all diese Subgenres zu erkunden, die wir in diesem Spektrum erreichen können. Also ja, jeder Song ist sicherlich sein eigenes Ding.

Über andere Strategien und I Prevail’s Entwicklung

I Prevail hat bis dato nur zwei Singles veröffentlicht, die sehr gegensätzlich zueinander sind. Das erscheint mir eine andere Strategie im Gegensatz zu den meisten Bands heutzutage zu sein, die fast das ganze Album bereits vor dem Veröffentlichungsdatum raushauen. Gibt es für eure Vorgehensweise einen besonderen Grund?

Das ist eine gute Frage! Besonders, weil ich gestern Nacht erst einen Podcast angehört habe, der über genau diese Sache geredet hat. Ich weiß nicht, wenn wir schreiben und eine Platte aufnehmen, oder zumindest wenn ich das tue – dann isoliere ich mich stark. Ich weiß fast nicht mehr, was um mich herum abgeht. Ich bin dann sehr wenig an Rock- und Metalmusik interessiert, um so unbeeinflusst wie möglich zu sein. Also kenn ich mich nicht wirklich aus, welche Releases gerade herausgekommen sind. Aber ich mag nicht wirklich diese langen Aufwärmperioden. Das beginnt bereits mit den Erwartungen der Fanbase. Wenn dieser Spannungsaufbau drei, vier oder fünf Monate dauert, manchmal sogar länger, dann warten die Fans schon so lange, dass das Album niemals diese Erwartungen erfüllen kann, ganz gleich, was passiert. Deswegen war ich immer ein großer Fan von schnellen Releases. Wir versuchen in der Regel eine fünfwöchige Phase vor dem Albumrelease zu machen und veröffentlichen so drei Singles. Diese Phase war ein bisschen länger. Wir haben etwa acht Wochen gewartet, aber sowas versuchen wir eigentlich nicht. Das ist, als würdest du auf einen Film warten, an dem du wirklich interessiert bist und du willst nicht, dass Leute dir irgendwas drüber erzählen, damit deine Meinung nicht davon beeinflusst wird. Irgendwie denke ich das Gleiche über Alben. Ich will nicht, dass Fans denken: Oh, das Album wir so oder so.
Ich will, dass sie es selbst erleben und sie eben fühlen lassen, wie sie es tun.

Inzwischen hören euch etwa 3,5 Millionen Menschen auf Spotify, das sind mehr als Parkway Drive oder Architects! Da haben sich bestimmt eine Menge Dinge für euch verändert. Denkt ihr, dass ihr den Traum lebt, den ihr früher hattet?

Definitiv leben wir unseren Traum, daran ist nicht zu zweifeln. Ich denke, es ist eine gute Sache darüber nachzudenken, weil man sich tagtäglich irgendwann an die Sache, die du im Moment tust eben gewöhnt. Sonst verliert man irgendwann aus den Augen, warum wir damit weiterhin unseren Lebensunterhalt verdienen wollen. Und Leute zu haben, die begeistert von der neuen Platte sind, denen sie wichtig ist und die sie jetzt hören, das ist ein großes Privileg, eine große Ehre. Manchmal reden wir mit der Band darüber: Wenn du die ganze Zeit zu dankbar bist, wird es dir nicht mehr erlauben dein Leben zu bewältigen und Dingen mit der Leidenschaft nachzujagen, die du willst. Aber gleichzeitig willst du nicht hyperfixiert auf jede kleine Sache sein, die du jeden Tag tust und sagen, wie glücklich du bist, sie zu tun. Zur selben Zeit musst du diese „Wir sind niemals gut genug“- Mentalität haben. Du musst es immer weiterversuchen, immer versuchen dich weiterzuentwickeln und immer mehr tun. Das ist eine komplizierte Antwort, aber das ist die Denkweise, an die wir angefangen haben uns anzunähern.

„Inkludiert das Genre-Blending“ !

Ihr habt in vergangenen Interviews eine Menge über Videogames geredet. Gibt es in eurem neuesten Release „True Power“ irgendwelche Einflüsse von Games, Filmen oder anderen Künstlern?

Ja, ich bin mir sicher, da gibt es alle möglichen Einflüsse für mich. Ich denke, als ich begonnen habe zu schreiben, habe ich wirklich aufgehört alles in unserem Genre zu hören. Ich habe wirklich versucht meinen Kopf zu reinigen. Das ist eine Art mysteriöser Prozess darüber nachzudenken, was deinen Geschmack und deine Präferenzen als Künstler beeinflusst. Was zieht dich an, was zieht dich nicht an? Aber ich versuche diesen mysteriösen Prozess unter den Teppich zu kehren und wir verfolgen einfach, was uns auch immer in diesem bestimmten Moment antreibt. Da gibt es definitiv eine Menge an Einflüssen. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass diese Platte ein gitarrenlastiges Album ist. Gitarre als ein sehr stolzes Instrument zu erkunden hat mir sehr viel Spaß gemacht. Für mich war das eine Erinnerung an den Kram, mit dem ich groß geworden bin. Vor Jahren war ich ein großer Avenged Sevenfold Fan, sie sind immer noch eine großartige Band. Ich habe mich wirklich in die Phase versetzt, als sie noch meine Lieblingsband waren. Sie sind einfach so eine coole Gitarren-Band. Diese Sache schimmerte konstant durch dieses Album. Und auch andere Gitarren-Bands kamen durch. Wir versuchten mehr Kram wie diesen zu machen, der nostalgisch wie Nirvana war. Einfach wesentlich ältere Genres, die wir mit einem modernen Sound auffrischen und mit dem, was wir tun, vereinen wollten. Dieses Album fühlte sich wirklich cool an. Da gibt es einfach von überall eine Menge Einflüsse, sodass die Platte einfach für sich stehen kann, was ein großer Spaß war.

Ich höre eine Menge elektronische und Rap Einflüsse. Habt ihr mit einer gewissen „Keine Regeln“- Mentalität bewusst Subgenregrenzen überschritten oder geschah das während dem Schreibprozess automatisch?

Wir haben es definitiv bewusst getan. Wir haben einfach irgendwie versucht zu schreiben, was wir mögen. Wisst ihr, wir alle mögen Hip Hop Musik. Bestimmt war bereits während „Trauma“ eine Phase, in der wir beschlossen haben: Ok, wir fangen an Elemente wie Rap zu übernehmen. Das ist, was wir mögen, das ist, wovon wir uns angezogen fühlen. Und das war der Punkt, an dem wir begonnen haben, zu tun, was wir wirklich machen wollten. Gleichzeitig wollten wir sichergehen, dass unsere Fans auch mitgehen und wie die Rock-Community allgemein reagiert. Und das ging so gut für uns aus. Ich denke, die Fans und Hörer können einfach spüren, wenn etwas authentisch ist. Solange du etwas tust, das real ist und was du wirklich magst und das dich inspiriert, scheint es durch die Dinge, die du tust. Mit „True Power“ gehen wir sogar tiefer in die Materie. Falls sich da irgendwelche Regeln nach „Trauma“ eingeschlichen haben, wurden sie bei „True Power“ alle über den Haufen geworfen. Es ist definitiv die kreativste Platte, die wir jemals gemacht haben. Wir haben Leuten etwas gegeben, was sie wollten, aber nicht auf die Weise, auf die sie dachten, sie kriegen es. Weil jedes Mal, wenn denkst, du weißt, wie dieser Song funktioniert, entwickelt er sich in eine völlig andere Richtung. Trotzdem bist du immer noch glücklich darüber, wohin er geht. Das war ein großer Fokus für uns und inkludiert das Genre-Blending, das wir in der Vergangenheit getan haben. Yeah, darum geht es auf jeden Fall! Wir versuchen zu übernehmen, was wir hören und was wir denken, das wir als Künstler und Musiker umsetzen können!

„Also ja, ich betrachte uns als unsere eigene Brand“

Ok, wir müssen einfach fragen. Da gibt es eine Menge Nu-Metal Einflüsse im Album. Hat das etwas mit Hollywood Undead zu tun, weil es erinnert uns einfach an die Jungs?

In unserer frühen Karriere haben wir mit ihnen getoured. Sie sind sicherlich eine coole Band, aber ich würde nicht sagen, dass sie die Band waren, die uns in der Hinsicht beeinflusst hat. Ich denke, jedes Mal, wenn du Rap oder Rock machst, bekommst du solche Vergleiche wie Linkin Park oder Hollywood Undead. Wir alle spielen mit den gleichen Elementen und für mich ist cool einen Vergleich mit einer bestimmten Band zu hören, weil wir eben mit ihnen getourt sind und vielleicht waren da auch Inspirationen? Also ja, ich betrachte uns als unseren eigenen Brand. Wir sind wirklich darin investiert, bewusst einen eigenen Sound zu haben und das hat mit „Trauma“ begonnen und bringt es mit „True Power“ zu einem absoluten Extrem. Aber natürlich spielen wir alle mit den gleichen Elementen, die auch alle miteinander zu vergleichen sind.

Bad Things“ wirkt wie ein sehr persönlicher Track. Gibt es einen speziellen Hintergrund zu diesem Song?

Ich kann sagen, dass dieser Song definitiv von einem spezifischen Standpunkt geschrieben worden ist und er auch eine bestimmte Bedeutung hat. Aber bei dieser Platte haben wir beschlossen, nicht zu sagen, was uns dieser Song bedeutet. Und seit wir älter geworden sind, haben wir den Eindruck, wenn der Artist dir genau sagt, wovon der Song handelt, verschließt es das Fenster an Bedeutungen, die er für den Hörer haben könnte. Wir schreiben von einem sehr realen Standpunkt und wir versuchen diesen mit bestimmten Sachen, die in der Realität fundiert sind, zu gestalten und dem Song damit Authentizität zu verleihen. Aber wir machen es auch, damit Leute sich damit identifizieren können. Wir lieben vor allem Metaphern und visuelle Energien. Ich denke einfach, es ist cool, es von verschiedenen Interpretationspunkten zu betrachten. Am Ende des Tages sind sie alle gültig, weil man eben Kunst kreiert. Es ist, als würdest du etwas schichten. Wenn du Dinge wie zum Beispiel Lyrics übereinander schichtest, bekommst all diese unterschiedlichen Facetten. Und das ist der coole Teil von Musik und Kunst im Allgemeinen. Du bekommst all diese Landschaften an Interpretationen und Bedeutungen und das ist wirklich cool!

Nach all der Zeit endlich wieder Touren!

Eure Tour wurde jetzt mehrere Male verschoben. Nächstes Jahr seid ich aber endlich wieder in Europa. Worauf freut ihr euch da am meisten?

Oh man, wir freuen uns richtig diese Shows zu spielen. Ich denke, wir waren dort drei oder mehr vielleicht mehr Jahre nicht? Damals waren wir in Europa als alles zugemacht wurde. Ich glaube, wir haben gerade eine Show in Hamburg gespielt? Das war eine der coolsten Shows! Ich meine, wirklich, deutsche Shows sind sick. Jetzt nicht übertrieben, ich glaube, ihr seid eine der besten und leidenschaftlichsten Fanbases der Welt. Es ist einfach der Wahnsinn! Und ja, Europa ist einfach im Allgemeinen super! Da gibt es so viele Kulturen. Wisst ihr, als der übliche ignorante Amerikaner wissen wir nicht so viel über andere Länder wie wir sollten und wir reisen nicht so viel, wie wir sollten. Ich denke, all diese unterschiedlichen Länder jeden Tag zu erleben, all diese unterschiedlichen Sprachen und das Essen – also ja, Europa ist ein sehr besonderer Ort zum Touren, weil es einmalig ist und wir einfach gespannt sind dorthin zurück zu kommen und all diese Shows zu spielen!

Wie du schon erwähnt habt, ist einige Zeit vergangen, seit ihr vor langer Zeit das letzte Mal in Europa auf Tour gewesen seid. Ich erinnere mich daran, dass ihr in einem Interview von 2019 erwähnt habt, dass ihr zu einigen Bands aufschaut, die sich wirklich wohl auf der Bühne fühlen und einfach so mit der Menge reden. Wie fühlt ihr euch nach all der Zeit wieder mit dem Publikum zu reden? Hat sich seitdem etwas geändert?

Ich denke nicht, dass wir auf der Bühne nervös sind. Auf jeden Fall bauen wir gerade wieder unsere Präsenz als Band auf, nachdem wir so lange draußen waren. Wisst ihr, über die Jahren haben wir so viele Shows gespielt und es war diese seltsame Zeit, in der wir uns gefragt haben: Womit verdienen wir eigentlich unsere Brötchen? Wir haben definitiv die ganze Zeit geschrieben und ewig im Studio gearbeitet. Und es war komisch und man verliert irgendwie den Bezug zur Bühne, obwohl es so ein wichtiger Teil ist. Also ja, wir sind in sehr krassen Proben und bereiten uns jetzt für den Herbst, die US Tour, vor. Wir üben eine Menge von den „True Power“ Songs und es sind einfach kraftvolle Songs, die sich sehr gut anfühlen und Spaß machen werden live zu performen. Wir werden also sehen, wie sich Dinge verändert haben. Wir alle sind ein bisschen älter und vielleicht ein bisschen steif geworden, womöglich werden wir uns nicht mehr so gut bewegen können (lacht). Aber ja, ich freue mich darauf wieder da draußen zu sein. Weil du kannst als live Band so oft wie du willst proben, im Endeffekt musst du abwarten, wie sich das Publikum entwickelt. Es ist einfach eine eigene Dynamik.

Frosch von Bord!

Wir haben uns euer Video von Bus Invaders aus dem Jahr 2015 angeschaut. Existiert noch euer Frosch, dieses Kuscheltier, das traditionsgemäß immer mit euch auf Tour war?

Wir haben ihn jetzt eine Weile nicht mehr mitgebracht. Er könnte irgendwo verloren gegangen sein. Ich weiß es nicht. Wir hatten ihn wahrscheinlich für die ersten drei Jahre. Ich denke, jemand hat ihn bei einem dieser Arcade Games gewonnen, ihr wisst schon, die mit den Krallen. Und wir haben ihm einen Namen, eine ganze Backgroundstory gegeben. Er hat eine Menge Charakter über die Jahre gewonnen. Ich wette, er ist irgendwo in unserem Proberaum. Ich werde da gleich in einer Stunde hinfahren und wir werden sehen, ob wir ihn vielleicht zurückholen können. Also Frank, der Frosch, er wird vielleicht bald in Deutschland sein, wir werden sehen!

Danke nochmal an Steve und das Management für dieses wirklich ausführliche Interview!

Wenn ihr „True Power“ noch nicht gehört habt, dann lest euch doch hier unsere Review dazu durch und streamt das Ding!

Info
23. August 2022 
21:10 Uhr
Band
I Prevail
Genre
Metalcore Nu Metal
Autor/en

 Leon Tascha

Fotocredit/s
Pressefoto
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